Restaurant Eggä 12 – Apfelmärchen

Terrasse des Restaurant Eggä 12 mit Palme

Meine bisherigen Besuche in die Ostschweiz wurden oft mit herausragenden Cordon bleus gekrönt. Auch das Restaurant Eggä 12 in Wil möchte Genusssuchende dank verschiedenen Sorten beglücken. Kann das Lokal damit an die Erfolgsserie anknüpfen?

Spriessende Wälder, lieblich grüne Hügel: Die Landschaft auf der Zugstrecke zwischen Winterthur und St. Gallen präsentiert sich im prächtigen Sonnenschein des Frühsommers von ihrer lieblichsten Seite. So lässt es sich gemütlich reisen und nach der Ankunft in Wil reichen bereits ein paar beschwingte Schritte aus, um den Eingang des Restaurants zu erreichen.

Ich darf an einem Tisch an der Fensterfront Platz nehmen und strecke genüsslich die Beine aus. Ein Aufsteller informiert über die anstehende «Cordon Bleu Party», vom 30. Mai bis 10. Juni kann man sein eigenes Cordon bleu kreieren und zusätzlich von 10%-Rabatt profitieren. Schöne Idee, ich bin aber eine Woche zu früh vor Ort und darf deshalb in der normalen Auswahl stöbern. Diese gibt sich übersichtlich sowie erfreulich abwechslungsreich: Fünf Varianten vom Schwein oder Kalb und zwei mit Pouletfleisch decken von A wie Ananas bis Z wie GorgonZola ein schönes Spektrum ab. Obendrauf kommen wechselnde Wochenhits wie aktuell das «Knobli» Cordon bleu. Entscheidungsgehemmte Naturen sollten also etwas Bedenkzeit einplanen. Glücklicherweise bleibt mir die Herumstudierei dank dem «Thurgauer» Cordon bleu für einmal erspart. Dort drin findet man nämlich Vorderschinken (klassisch), Scharfer Maxx (Spannend da unkonventionell) und Apfelstücke (endlich!). Vielleicht hilft mir dies zu jenem fruchtigen Glück, dem ich seit dem Besuch in Basel entgegenfiebere. Im Aquarium der Beilagen tummeln sich neben den üblichen Verdächtigen auch die verlockenden Optionen hausgemachte Butterrösti oder Spätzli. Selbstgemacht schmeckt bekanntlich am besten und seit der letzten Rösti ist bereits einige Zeit verstrichen, weshalb sie prompt auf meinen Bestellzettel wandert.

Die Ruhe im Restaurant ist Balsam nach einem hektischen Arbeitstag. Durch den schwarz-weissen Kachelboden und die dunklen Möbel fühlt man sich wie in einem schicken Pariser Bistro, mit Blick auf die Palme vor dem Fenster kommen sogar leichte Feriengefühle auf. Nichts kommt aber gegen die Euphorie an, welche der emporströmende Geruch des soeben vor mir abgestellten Tellers auslöst. Darauf geht es bunt und dicht gedrängt zur Sache. Der erste Biss gebührt dem panierten Etwas beim Gemüse, welches sich als knusprig verpackte Aubergine entpuppt. Geschmacklich keine Offenbarung (eine Eigenschaft, welche sie mit dem restlichen Gemüse teilt) aber durchaus interessant verhüllt. Weiter gehts vom Knackigen ins Saftige, das Cordon bleu mit seinen ansehnlichen Käserändern gibt beim Anschnitt vielversprechende Brodel- und Zischgeräusche von sich. Dementsprechend kann die Panade nicht gross mit ihrer Textur punkten, die eher mürbe daherkommt. Um für die Begegnung mit den Apfelstücken besser gewappnet zu sein, esse ich mich erst einmal vorsichtig an den Ecken entlang Richtung Mitte. Dabei begegnen meinem Gaumen neben dem charmant rezenten, frech die Zunge kitzelnden Käse auch ungewollte Stücke der Rösti. Diese dient dem Cordon bleu als goldene Sänfte und reist auf jeder Gabel als blinder Passagier mit, was meinem ausgereiften (zugegebenermassen auch pingeligen) Sinn für Ordnung zuwiderläuft. Bei der nächsten Portion trenne ich deshalb, was (noch) nicht zusammengehört, um einen besseren Eindruck vom Charakter des Erdapfelfladens zu erhalten. Seine geschmeidig-buttrige Art gefällt, ausserdem schwingt ein Hauch von Bitterkeit mit, ausgehend von den dunklen Stellen wo die Rösti eine Spur länger als nötig Kontakt mit der Pfanne hatte. Trotzdem ist der Gesamteindruck etwas eintönig, ich vermisse eine ausgeprägtere Würze.

Kommen wir zur Gretchenfrage, dem Raison d’être dieses Cordon bleus: Ja es geht um die vorhandenen Apfelschnitze, nein sie sind leider nicht der erhoffte Knaller. Ihre fruchtig-säuerliche Note glänzt nicht mit erwarteter Prägnanz und bleibt erstaunlich hartnäckig im Hintergrund. Vielleicht liegt die Problematik aber an einer anderen Stelle: Die hübschen Käsefäden an den Rändern erkauft sich das Cordon bleu mit dem Handicap, dass in der Mitte nicht mehr viel vom guten Zeug übrig ist und die Fruchtstücke einsam die Stellung halten müssen. Interessanterweise macht das Cordon bleu als Gesamtkonstruktion trotz allem einen mundigeren Eindruck, als es die bisherigen Beschreibungen erwarten lassen würden. Das liegt zum einen am Schweinefleisch, welches die Rolle als saftige Klammer bravourös ausfüllt. Zum anderen gleichen die Komponenten ihre Schwächen untereinander aus, dafür muss man jedoch schon einen Bissen mit Scharfem Maxx und Apfelschnitzen erhaschen.

Bei der Dessertkarte ist dann doch noch etwas Gehirnschmalz angesagt: Es handelt sich nämlich um eine Zutatenliste, mit deren Hilfe man sich seinen eigenen Glacecoupe aus verschiedenen Sorten und Garnituren zusammenstellen kann. Nach dem ungewöhnlichen Cordon bleu bleibt nun kein Raum mehr für Experimente. Ich bastle mir aus einer Kugel Vanilleglace, heissen Beeren und Schlagrahm einen bewährten süssen Rausschmeisser zusammen. Die Kombination enttäuscht nicht, genau so wenig wie die erfreulich niedrige Schlussrechnung. Somit steht die Rückreise zwar unter keinem euphorischen aber immerhin zufriedenen Stern.

Knapp daneben ist auch vorbei: Ich warte weiterhin auf mein fruchtiges Erweckungserlebnis. Das liegt aber nicht an der fehlenden Cordon bleu Expertise, das Küchenteam des Restaurant Eggä 12 versteht sein Handwerk in dieser Disziplin und bietet leckere Kost ohne Überfliegerallüren. Für die Aufnahme in die Ostschweizer Hall of Fame reicht es damit nicht, es ist aber allemal genug, um Cordon bleu Fans einen Besuch nahelegen zu können.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Thurgau»
6/10, «Gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://eggae12.ch

Wo ist das ideale Plätzchen für die Beilage: Auf einem separaten Teller, neben dem Cordon bleu oder gar (oh graus) mittendrin? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

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