Restaurant Schützenmatt – Doppelt gemoppelt

Fassade des Restaurant Schützenmatt

Hinter den sieben Hügeln, bei den sieben Linden befindet sich gut versteckt das Schönenberger Restaurant Schützenmatt. Reisende erwartet hier weder Drachenschatz noch verzaubertes Geschmiede, sondern etwas viel Wertvolleres: Ein sagenumwobenes Cordon bleu der klassischen Art, dessen Geschmack sogar knorrigen Älplern schwärmende Töne entlockt. Zu schön um wahr zu sein?

Wenn die Anreise zu einem Cordon-bleu-Essen mittels Auto statt ÖV erfolgt, steigt mein Puls aus Vorfreude immer etwas höher als sonst. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die etwas abgelegeneren Lokale den Ruf innehaben, eine bemerkenswerte währschafte Küche zu pflegen. Dementsprechend hibbelig, kommt mir die eigentlich kurze Fahrt durch die grünen Felder oberhalb des Zürichsees heute wie ein umfangreicher Ausflug vor. Bei der Ankunft auf dem Parkplatz drängen Ungeduld sowie ein leerer Magen auf einen schnellen Marsch in die gute Stube, einen ausschweifenden Blick auf die ansehnliche Fassade mit ihren Holzelementen sowie elegant hellgrau-weiss gestrichenem Balkon lasse ich mir aber trotz allem nicht nehmen. Im Speiseraum geht es dank altehrwürdig dunklen Stützbalken, braunem Kachelboden und hellen Wänden in geschmackvollem Stil weiter. Dekorationsobjekte wie ein hängender hellblauer Strohhut oder der mit Pflanzen und Holz ausgeschmückte Kachelofen bringen eine unerwartet verspielte Note ein, die mir ausserordentlich gut gefällt. Eine obligatorische Katze, welche um Menschen- sowie Tischbeine streicht und auf einen kleinen Happen hofft komplettiert die gemütliche Landbeizenatmosphäre.

Wie erwartet ist das Restaurant in Sachen Cordon bleu ausschliesslich klassisch unterwegs, Variationen mit Extrawürsten oder gar Früchten sucht man in der ansonsten mit den üblichen währschaften Speisen versehenen Speisekarte vergebens. Freunde gut gefüllter Teller kommen dennoch auf ihre Kosten, da das Cordon bleu tollerweise im Doppelpack bestellt werden kann. Eine Option, von der ich hochmotiviert gleich Gebrauch mache. Dazu eine Portion Pommes, als Vorspeise einen Salat mit italienischer Sauce und fertig ist der kulinarische Schlachtplan. Etwas stutzig werde ich, als ringsum am Tisch alle ihren Salat mit Hausdressing bestellen. Nachdem alle Bestellungen notiert und die Speisekarten eingesammelt sind, werde ich in das Geheimnis der Sauce Maison eingeweiht. Mehr noch als das Cordon bleu ist es nämlich dieses Wundersösschen, welches im weiten Umkreis Kultstatus geniesst und von den Gästen literweise gekauft wird. Tatsächlich kann ich im Verlauf des Abends noch einige Male beobachten, wie an anderen Tischen zusammen mit der Rechnung auch eine unscheinbare Flasche auf den Tisch wandert und glückliche Mienen in die Gesichter zaubert.

Als mein Salat eintrifft und ich die Verköstigung beginne, hält sich der Genuss trotz knackiger Frische in Grenzen. Schuld daran sind meine Gedanken, die sich nicht auf den Teller vor mir fokussieren, sondern in erster Linie um die Haussauce an den Salatblättern meiner Mitessenden kreisen. Als ich bereits mit dem Gedanken spiele, ein anderes Mal erneut einzukehren, um diese Scharte auszuwetzen, bietet mir jemand netterweise ihren Teller mit Saucenresten zum Ausputzen an. Das lässt sich mein Gaumen nicht zweimal sagen, mit einem Stückchen Brot will er sich nun selbst von diesem vielgerühmten Dressing überzeugen. Was dann geschmacklich einschlägt, gefällt: Sie ist im Vergleich zu anderen französischen Salatsaucen angenehm leicht, ausserdem hat die Küche den Kunstgriff geschafft, die einzigartige Würze von Knoblauch einzufangen, ohne dessen durchdringende Schärfe überhand nehmen zu lassen. Das Resultat kribbelt die Mundhöhle von vorne bis hinten kräftig durch und lässt mich eifrig den Teller aufwischen, bis auch noch der kleinste Rest verschwunden ist und die Oberfläche wieder sauber glänzt. Das Cordon bleu Duo und die Pommes Frites werden sich ordentlich anstrengen müssen, um bei diesem hervorragenden Einstieg mithalten zu können.

Mein Magen läuft auf Hochtouren und das Küchenteam offenbar auch, denn die Hauptspeise steht bereits nach kurzer Zeit bei uns am Tisch. Die beiden Cordon bleus räkeln sich in ihren dunkelbraunen, leicht glänzenden Mänteln neben den goldgelben Pommes und bringen mich in die Zwickmühle, jetzt entscheiden zu müssen, wo der erste Biss angesetzt wird. Schnell einen der einladenden Kartoffelstifte stibitzen und dann zu den Fleischpäckchen ist der Plan, die Realität sieht freilich anders aus: Nach einer Kostprobe der heissen gläsrig-knusprigen und himmlisch delikaten Pommes Frites erleiden meine Finger plötzlich einen heftigen Anfall des «Nur noch eins mehr»-Syndroms, welcher erst abklingt, als etwa die Hälfte der Beilagen im Mund verschwunden ist. So weit, so gut, aber wie schlägt sich das Cordon-bleu-Zweigespann? Nun, das erste Exemplar verspeise ich vom Anschnitt bis zum letzten Krümel in genussvoller Stille. Erst dann greife ich zum Stift und notiere meine Eindrücke, die mit dem zweiten (und leider letzten) Cordon bleu abgeglichen werden. Ganz vorneweg: Man hat nicht übertrieben, es handelt sich hier um ein klassisches Cordon bleu der Spitzenklasse. Augen und Ohren werden bereits vor und während des Anschneidens der Panade dank ihrer hübschen Optik sowie einer sanft knuspernden Textur bestens unterhalten. Der Genuss setzt sich beim Auftritt des zart-saftigen Schweinefleisches fort, bevor er im rezent süss-sauren, aber dennoch sanften Charakter der Käsefüllung seinen Höhepunkt findet. Eigentlich schlägt mein Herz ja für kräftigere Käsesorten, dieser milde Geselle bietet aber eine exzellente Bühne für die behutsam gewürzten Panade sowie das hervorragende Fleisch und passt somit wie die Faust aufs Auge. Diskussionsstoff liefert die Füllung dennoch, allerdings nicht über den Geschmack, sondern die Frage der Herkunft: Während ich ob des lieblichen, fast süssen Aromas auf Emmentaler tippe, schwört die Käsekoryphäe am Tisch darauf, dass es sich um einen jungen Gruyère handeln muss. Grosse Lust zum Nachfragen treibt mich nicht um, weswegen ich mich seiner Erfahrung beuge und dem letzten Bissen geniesserisch den Garaus mache.

Nach ganzen zwei (wenn auch nicht riesigen) Cordon bleus müsste man meinen, dass so langsam das Ende der Fahnenstange meines Appetits erreicht ist. Eine süsse Krönung liegt aber alleweil noch drin und im kleinen Coupe Eiercognac meine ich den idealen Kompromisskandidaten zwischen Platz und Verlangen ausgemacht zu haben. So klein und leicht ist der üppig gefüllte Becher dann doch nicht, die Balance aus Süsse und dem sowohl in der Sauce als auch im Glacé beigefügten Likör bestärkt mich jedoch darin, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Neugierig begutachte ich aus dem Augenwinkel das Tobleronemousse meiner Sitznachbarin, das mich auf der Dessertkarte ebenfalls angelächelt hat. Das Glück ist mir schon wieder hold und ich darf auch diese Reste aufessen, welche im Gegensatz zu anderen Schokoladen-Mousse einen etwas weniger süssen aber dafür umso luftig-leichteren Eindruck machen.

Ein herumschweifender Blick verrät die späte Stunde, draussen vor dem Fenster wurden die bekannten Hirzel-Linden von der Nachtschwärze verschluckt und in der Beizenstube sind wir unterdessen fast allein. Ein idealer Zeitpunkt um abzurechnen und den Heimweg anzutreten. Gefühlt doppelt so schwer aber dreimal so glücklich wie zu Beginn des Abends komme ich auf der Fahrt sinnierend zur Feststellung, dass sich der Abstecher in diese etwas versteckte Ecke auf alle Fälle gelohnt hat.

Kann ein klassisches Cordon bleu die fehlende Abwechslung einer nicht vorhandenen Auswahl an Sorten ausgleichen? Eine endgültige Antwort auf diese Frage muss jede Person wohl selber finden. Der traditionelle Vertreter des Restaurant Schützenmatt liefert aber ein gewichtiges Argument für diejenigen, welche ihre Cordon bleus lieber bodenständig als ausgefallen zu schätzen wissen. Für alle anderen lohnt sich ein Besuch des Lokals jedoch auf jeden Fall und sei es nur, um vom köstlichen Hausdressing zu kosten.

Bewertung

Klassisches Schweins Cordon bleu
7/10, «Sehr gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

Wie viele Cordon bleus gehören eigentlich auf einen anständig gefüllten Teller? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

2 comments

  1. Eine sehr schön beschriebene Rezension. Und völlig korrekt denn heute Abend geniesse ich mal wieder ein cordon Bleu mit Pommes Frostes und Vorspeise Salat französisch.

    Schade dass die Bewertung der nicht sehr umfangreichen Speisekarte mit 2/10 so schlecht ausfällt denn lieber wenig aber das ist absolut fein gemacht.

    1. Hallo Andreas

      Vielen Dank für deinen Kommentar, ich hoffe es hat dir geschmeckt!
      In Sachen Speisekarte bin ich philosophisch bei dir, ich schätze eine gute Auswahl aber es muss nicht immer allzu ausgefallen sein.
      Die Punkte für die Speisekarte fallen bei der Schlussbewertung deshalb nicht gross ins Gewicht, andere Kriterien wie etwa der Gesamtgeschmack sind entscheidender.

      Viele Grüsse
      Alessandro

Leave a comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert