Börnis Baizli – Scheinriese

Eingangstür von Börnis Baizli

Wenn Leute mich fragen, was man mir zum Geburtstag schenken soll, steht die Einladung zu einem Cordon bleu jeweils ganz oben auf meiner Wunschliste. Ein solches Geschenk führte uns an einem herbstelnden Abend zu Börnis Baizli in Oerlikon, wo laut Website «Die beliebtesten Cordon bleus’s der Stadt» zu finden sind. Reiht sich diese Rezension in den Jubelchor ein oder überwiegen die kritischen Töne?

Der kurze Spaziergang vom Bahnhof Oerlikon bis zum Restaurant verwöhnt uns mit blauem Himmel und goldenem Abendlicht, welches auf der Kippe zum Eindunkeln steht. Beim Eingang angekommen greifen die Finger dank kühlen Temperaturen etwas motivierter als auch schon zum Türgriff, hinter welchem bereits die reizvoll warme Gaststube wartet.

Nach dem Betreten des Raumes ist die Stimmung rasch klar: Volle Pulle Beiz (oder wäre es hier Baiz?), und zwar laut. Fast alle Plätze sind belegt, bei manchen Tischen erhasche ich einen Blick auf Teller, die bereits von Cordon bleus in unterschiedlichen Stadien des Aufgegessenwerdens geschmückt sind. Dazu gesellen sich appetitanregende käseschwangere Düfte aus der Küche. Man ist der Belegung entsprechend im Schuss und weist uns zügig einen Platz im hinteren Bereich zu. In der ebenfalls hurtig in die Hände gedrückten Speisekarte wühlt man sich durch einige Seiten mit klassischen währschaften Gerichten, bevor man zu guter Letzt auf die Liste der Cordon bleus stösst. Acht Varianten vom Schweinsnierstück in der Gewichtsklasse 400 Gramm erwarten die der besten Speise der Welt zugeneigten Gäste. Grösstenteils klassische mit Knoblauch, Ananas (seufz) oder Bündner Rohschinken aber auch ein paar ausgefallene Ausreisser wie etwa dem mediterran angehauchten «Börni’s» (Rohschinken, Schinken, Cantadou, Oliven und Peperoncini). Mit Frischkäse in der Füllung wurde ich bis jetzt immer noch nicht so richtig warm, weshalb meine Sympathien beim «Chef» (Knoblauch, Schinken und Greyerzer) liegen. Röstikroketten runden die Bestellung zufriedenstellend ab. Meine Mitessenden zeigen sich dem Abenteuerlichen gegenüber aufgeschlossener als ich und wählen das «Italiano» (Salami, Schinken, Oregano, Mozzarella und Tomatensauce) sowie das «Börni’s».

Die Karte versprach handgemachte Cordon bleus und diese benötigen entsprechend Zeit. Heisshunger regiert den Tisch, demzufolge drehen sich die Gespräche um Themen aus Küche, Herd und Teller. Die gelegentlichen Ruhepausen nutze ich, um den Raum zu studieren: Heller Holztäfer ziert die Wände, auf dessen oberem Rand bei uns leere Spirituosenflaschen in vorzeigbarer Aufmachung ausgestellt wurden. Gemusterte Tischdecken sorgen für farbliche Abwechslung. Im Zusammenspiel mit der überschaubaren Grösse sorgt die heimelige Einrichtung für eine wohlige und gesellige Atmosphäre, die ich nur selten mit Zürcher Restaurants in Verbindung bringe.

Endlich hat das Warten ein Ende und die ersehnten Cordon bleus treffen ein. Mit seinen abgerundeten Ecken und frisch schimmernder Panade sieht meines äusserst ansprechend aus, weshalb ich mich nicht lange bitten lasse, und motiviert das Besteck in Stellung bringe. Ob des trockenen Geräusches, mit dem die Hülle beim Anschnitt auseinandergeht, mischt sich allerdings eine sorgenvolle Note in die Vorfreude, die kurz darauf vom Gaumen bestätigt wird: Hier geht es mehr hart als zart zu und her. Auch geschmacklich machen sowohl Panade als auch das Fleisch einen blassen Eindruck auf mich. Da müsste die Füllung zu Hilfe kommen, es braucht jedoch einige Testgrabungen bis der erhoffte goldgelbene Farbton ans Tageslicht dringt. Dann macht sie jedoch dank einer prägnanten jedoch nicht überwältigenden Knoblauchnote, welche sich harmonisch mit dem rezenten, fast ins Süsse reichenden, Gruyère verbindet, einiges an Boden gut. Entsprechend ist Teamwork geboten, um die gewünschte Würze einzubringen und wenn alle Komponenten auf der Gabelspitze zusammenkommen, klappt dies freilich auch ordentlich. Allzu oft fehlt es mir aber an Füllung, was nicht einer zu kleinen Gesamtmenge, sondern einer ungleichmässigen Verteilung geschuldet zu sein scheint.

Mitten im Schmaus leert sich der Raum schlagartig, aus den Gesprächsfetzen der rausspazierenden Gäste wird auch rasch klar warum: Man will frisch gestärkt an das Konzert von Helene Fischer im Hallenstadion. Ich bleibe lieber bei der klappernden Melodie von Messer und Gabel, die mich auf meiner hauptsächlich vom Bärenhunger getragenen krachend-knuspernden Reise bis ans Ende meines Cordon bleus begleitet. Was meine Geschmacksnerven dort vermissten, wird bei den Beilagen einigermassen wieder wett gemacht: Die ungemein würzigen Röstikroketten sowie das bissfeste und mit wohlschmeckenden Kräutern angereicherte Gemüse sorgen beide für Wohlgefallen. Rundherum am Tisch sind auch keine Jubeltöne zu vernehmen, die mir netterweise angebotenen Probierbissen der anderen Cordon bleus sind keine Offenbarungen. Die sehr ordentliche Grösse der Portion macht einen Nachtisch überflüssig. Stattdessen gibt es zum Abschluss noch einen Kaffee als Stärkung vor der kühlen Nachtluft und dann brechen wir auch schon wieder in Richtung Bahnhof auf.

Börni und ich konnten an diesem Abend geschmackstechnisch leider nicht zueinander finden. Ganz wie die im Rezensionstitel verewigte Figur aus Jim Knopfs Abenteuern wirkte das servierte Cordon bleu zu Beginn wie eine Ausnahmeerscheinung, bis meine Hoffnungen Biss für Biss immer mehr in der trüben Realität landeten. Die charaktervolle und austarierte Füllung kam leider viel zu selten zum Zug, und auf sich alleine gestellt bleiben das Schweinefleisch und die Panade für mich zu unscheinbar, um überzeugen zu können. Für einen gepflegten Cordon-bleu-Schmaus empfehle ich persönlich andere Restaurants in Zürich, wenn euch aber die Lust auf gemütliche sowie unkomplizierte Beizenatmosphäre in der Zwinglistadt gepackt hat, könnte Börnis Baizli genau euer Ding sein.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Chef»
4/10, «Befriedigend»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://boernisbaizli.ch

Mein Favorit ist er bekanntlich nicht, wie steht ihr zu Frischkäse im Cordon bleu? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen. Falls dieser Beitrag Appetit auf mehr geweckt hat, findet ihr in der Übersicht noch viele weitere meiner Rezensionen von Cordon bleus aus der ganzen Schweiz.

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