Restaurant Grünwald – Feuersturm

Die Vorderseite des Restaurants Grünwald in der untergehenden Abendsonne

80 Minuten. Nicht ganz die berühmten 80 Tage von Jules Verne aber für einen Restaurantbesuch trotzdem eher auf der kurzen Seite. Tatsächlich dauerte es nur so lange, bis wir nach der Ankunft im Restaurant Grünwald wieder den Bus Richtung Heimweg bestiegen. Woran lags?

Lauschig grüne Wiesen, dichter Forst: Hier an der Bushaltestelle Grünwald in Höngg wähnt man sich weit weg vom Urbanen und vergisst, dass Zürich doch ganz nahe ist. Ein informatives Plakat präsentiert einige spannende Fakten zum in der Nähe angelegten Waldlabor. Statt Pflanzen steht aber wieder einmal Fleisch auf dem Menüplan, weshalb wir die Strasse überqueren und gleich vor dem Restaurant Grünwald landen. Ein willkommener Tipp hat mich hierhin gelotst und ich bin gespannt, wie die Schmauserei ausfallen wird. Zuerst stellt uns die Suche nach dem Eingang trotz eigentlich eindeutiger Beschilderung vor navigatorische Startschwierigkeiten, über einen kleinen Seitenweg erreichen wir die Terrasse dann doch noch. Es herrscht grosser Trubel, bei den heissen Temperaturen scheinen unsere Gemüter nicht die Einzigen zu sein, die es nach einem Abendessen im Grünen und unter freiem Himmel hierherzog. Durch die grosse Menge an Gästen herrscht emsiger Hochbetrieb und ein entsprechender Lärmpegel, der dem Aufkommen von Gemütlichkeit nicht gerade in die Hände spielt. Immerhin befindet sich unser reservierter Tisch ein wenig abseits neben einer Hecke, so dass man etwas durchschnaufen kann.

Auf der Speisekarte zeigt die Überschrift «Cordon bleu Ecke» sogleich an, wo meine Aufmerksamkeit gut aufgehoben ist. Die übersichtliche Liste an Variationen deckt ein eher traditionelles Spektrum ab, wobei die Vielfalt dank «Walliser Cordon bleu» mit Aprikosen und Büffel-Mozzarella im «Tessiner Cordon bleu» durchaus nicht zu kurz kommt. Die allgegenwärtige Hitze verleitet mich zu dem Gedanken, die teuflische Wärme mit dem Beelzebub auszutreiben und deshalb ein besonders pikantes Cordon bleu auszuwählen. Das «Diavolo» kommt da gerade recht und verspricht dank Chili, Habanero und Sambal Oelek ein infernales Erlebnis. Schinken, Knoblauch sowie eine Käsemischung aus Raclette und Gruyère werden einiges leisten müssen, um geschmacklich gegen diese Glut bestehen zu können. Meiner Begleitung steht der Sinn nach Geflügel und man entscheidet sich dementsprechend für Pouletflügeli mit hausgemachter Sauce. Ein Blattsalat als gemeinsame Vorspeise wandert ebenfalls auf den Bestellzettel des zackigen aber überaus freundlichen Servicepersonals. Da das Restaurant wie bereits erwähnt gut gefüllt ist, lehnen wir uns in Erwartung einer gewissen Wartezeit in den Stühlen zurück. Doch nur wenige Minuten später trifft bereits der bestellte Salat ein. Etwas verdattert aber durchaus zufrieden beginnen wir mit dessen Verköstigung. Er selbst stellt sich nicht als Überraschungshit heraus, ganz im Gegensatz zum dazu gereichten Brot, welches lecker und knusprig den Platz im Schaufensterlicht einnimmt.

Kaum sind wir in der Mitte des überschaulichen Salattellers angelangt, kommen auch schon die Teller mit der Hauptspeise. Unsere Verdatterung weicht einem verblüfften Staunen ob des atemberaubenden Zubereitungstempos der Küche. Dass ich fünfzehn Minuten nach Eintreffen in einem Restaurant bereits Vorspeise und Cordon bleu vor mir stehen habe, ist zeitlich rekordverdächtig. Die Farbe der Panade reicht dagegen nicht ganz für einen Podestplatz, umso gespannter schneide ich das erste Stück ab. Der Eindruck ist erwartet heissblütig, die Schärfe füllt den Gaumen mit einem prickelnden Feuerball und stoppt rechtzeitig, bevor es im roten Bereich ankommt. Gut austariert also, leider haben die restlichen Geschmäcker wie Knoblauch, Schinken oder das Schweinefleisch nicht den Hauch einer Chance, um im Inferno wahrgenommen zu werden. Einzig das leckere Duo aus der rezenten Säure des Gruyère und klebrigem Raclettekäse vermag hie und da abwechslungsreiche Akzente zu setzen. Schlusslicht im Bunde ist die Panade, welche durch fehlende Knusprigkeit und Geschmack einen gar blassen Eindruck hinterlässt. Ich tröste mich mit einer weiteren Scheibe des köstlichen Brots und den Pommes Frites, die ich beim ersten Bissen vorschnell als charakterlos eingestuft hatte, nun aber mit jedem weiteren Stück immer mehr an Sogkraft und Genuss gewinnen.

Wegen der raschen Taktung des Speiseplans fühlt es sich an, als wären wir erst gerade angekommen und doch stehen bereits zwei leere Teller auf dem Tisch. Abendstimmung und immer noch sehr warme Temperaturen pfeifen zwar das Locklied eines kühlen Nachtischs, wir sehnen uns jedoch nach einer Verschnaufpause im Grünen. Die Rechnung kommt so rasch wie das bestellte Essen und der Rückweg durch die grünen Wiesen ist erhofft vergnüglich. Beim Einstieg in den Bus zeigt der Blick auf die Armbanduhr, dass tatsächlich erst 80 Minuten vergingen, seit wir aus der anderen Richtung kommend eintrafen. Darüber wird die ganze Fahrt hindurch ausgiebig gestaunt und sinniert, ein unerwarteter aber durchaus angenehmer Abschluss des Abends.

Die ausgeglichene Schärfe meines Cordon bleus hat mich beeindruckt, umso betrübter war ich, dass die restlichen Geschmacksnoten darin untergingen. Man kann nicht jedes Mal einen Schatz heben, von diesem Schmaus in Zürichs grüner Lunge hätte ich mir aber mehr erhofft. Ausflügler mit einer Vorliebe für kurze Wartezeiten und währschafte Kost sind im Restaurant Grünwald gut aufgehoben, ausgezeichnete Cordon bleus findet man in Zürich jedoch eher an anderen Adressen.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Diavolo»
5/10, «Durchschnittlich»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://gruenwald.ch

Welchen Farbton muss eigentlich die Panade eures Cordon bleus haben, damit euch das Wasser im Munde zusammenläuft? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

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