Ristorante al Lago – Im Angesicht des Dammes

Fassade des Ristorante al Lago

Was haben das Valle Verzasca, Bungee-Jumping und Cordon bleus gemeinsam? Erstaunlicherweise niemand geringeren als den berühmtesten Agenten im Geheimdienst ihrer Majestät – James Bond. Das Ristorante al Lago in Vogorno serviert zu seinen Ehren ein überdimensionales Cordon bleu, dem ich in meinen Ferien nicht widerstehen konnte. Vielleicht gibt es am Ende dieser Rezension auch die Auflösung, was zum Kuckuck Spargeln in dessen Füllung verloren haben…

Mangels passenden Gefährts müssen wir auf die stilsichere Anfahrt mit einem Aston Martin verzichten und sind stattdessen auf Schusters Rappen unterwegs zum Lokal. Die Reise ist nicht allzu lang aber etwas tückisch, typisch für die Fussgänger-Verhältnisse in Vogorno führt einen der Weg nicht nur neben sondern gerne auch direkt auf die Strasse. Dank einigermassen anständigem Fahrzeugverkehr kommen wir wohlbehalten am Ziel an, ohne dass halsbrecherische Ausweichmanöver nötig waren.

Die attraktive Lage des Restaurants offenbart einem sofort die Hauptattraktion, nämlich einen hervorragenden Blick auf die spätestens seit der Einstiegssequenz des James Bond Films «Golden Eye» aus dem Jahre 1995 weltberühmte Verzasca-Staumauer. Diese behalten wir von unserem Platz an einem Tisch in der äussersten Ecke der Terrasse den ganzen Abend hindurch fest im Sichtfeld, auch wenn die sonnenbeschienenen Gipfel des Motóm und Poncione d’Alnasca in gegenüberliegender Richtung ebenfalls eine ganz schmucke Figur machen. Bei so viel Panorama darf jedoch die Speisekarte nicht vergessen gehen, wo allerlei Klassiker der touristischen italienischen Küche und, als Hommage an aller Leute Lieblingsagent, das «James Bond» Cordon bleu auf einen warten. «700 gr.» wird daneben als Gewicht der Kreation angegeben – wer die Zahlenreihenfolge umkehrt, merkt sofort, dass jedes Gramm genau richtig platziert wurde. Fleisch vom Kalb passt ebenfalls zum vornehmen Auftritt des Actionbriten. Der Vermerk «mit Spargeln gefüllt» lässt mich hingegen etwas ratlos zurück. Vielleicht eine ungemein subtile Anspielung, welche eingeweihte Connaisseurs der Filme respektvoll die Augenbraue hochheben lässt? Auch nach längerem Sinnieren will mir partout keine Verbindung zwischen diesen grünen Stängeln und den Agententhrillern einfallen, aber eigentlich bin ich ja bloss hier, um das Resultat in Sachen Geschmack zu beurteilen.

Die Vorspeise in Form eines kleinen grünen Salates läutet die Schmausezeit zwar nicht spektakulär, aber doch leicht, frisch und knackig ein. Insbesondere die leckere und ausgewogen verteilte Sauce im italienischen Stil löst grosses Wohlwollen aus. Zum Glück kann sich mein Magen an diesem Portiönchen etwas aufwärmen, denn was danach auf einem Teller daherkommt, macht klar, dass er gleich zünftig auf die Probe gestellt wird: Das enorme Cordon bleu scheint mindestens so gross wie die Staumauer zu sein, so dass es nicht überrascht, dass die Pommes Frites separat serviert werden. Auf den zweiten Blick stechen aber bereits einige Ungereimtheiten ins Auge. Etwa die unerwartet flache Form, welche wohl nicht allzu viel Käse oder Spargel zu enthalten scheint, oder die hübsch braune Panade, derer im Sonnenlicht deutlich zur Schau tretendes feuchtes Schimmern eher ein Fingerzeig auf die Menge an aufgesogener Bratflüssigkeit statt ein Schönheitsmerkmal sein wird. So kommt es dann auch wie erwartet: Sie entpuppt sich beim ersten Bissen als buttrig-würzig im Geschmack, die Textur ist aber enttäuschend weich und weit entfernt vom zart-knusprigen Ideal. Dank zartem Wesen und saftigem Charakter beeindruckt die gleich darunter liegende Hülle aus Kalbfleisch deutlich mehr. Ich wünschte, man könnte dasselbe über die Füllung sagen, aber wie befürchtet war hier Schmalhans Küchenmeister. Erwähnenswerte Mengen an klebrigem, jedoch nicht nennenswert aromatischem, Käse tauchen erst nach ungefähr einem Viertel auf. Bei der Spargel ist die Bilanz sogar noch desolater, die von aussen sichtbar herauslugenden Spitzen sind nicht die Spitze des Eisbergs, sondern tatsächlich die einzigen vorhandenen Stangen. Äusserst schade, da deren gedämpfte Textur und erfrischender Gout eine willkommene Note an Frühlingsgefühlen einbringen. Mein Magen kämpft, dank üppiger Portion und gut angereicherter Panade ist dieses Cordon bleu bei weitem keine leichte Kost.

Dass ich die Notizen für diese Rezension trotzdem beschwingt und über längere Zeit sogar einhändig zu Papier bringe, ist den Pommes Frites zu verdanken. Ihre matte Oberfläche glimmert ansprechend, während das überragende Knuspergefühl der krossen Hülle zwischen den Zähnen geradezu süchtig macht und meine Finger andauernd zum Griff nach einem weiteren Knabberstift verführt. Schlussendlich reicht der Appetit nicht für das ganze Cordon bleu (Pommes Frites sind aber keine mehr da), weshalb sich auch die Frage nach einem Dessert erübrigt. Mit gut eingepackten Resten begeben wir uns auf den kurzen Rückweg entlang der vom Mond beschienen Strasse, den Stausee zu unserer Linken und steile grüne Hänge auf der Rechten.

Tja, dieses Cordon bleu wäre wohl besser als Schnitzel aus der Küche rausgekommen. Statt bei der Füllmenge hätte man wegen mir besser beim Bratbutter gespart, immerhin kann die gute Verarbeitung des Kalbfleischs einige Punkte gut machen. Wer Lust auf eine gepflegte Aussicht hat macht mit einem Besuch im Ristorante al Lago nichts falsch, alleine wegen dem Cordon bleu lohnt sich die Anreise eher nicht.

Bewertung

«James Bond» Cordon bleu
5/10, «Durchschnittlich»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://allago.ch

Bestimmt hätte James Bond seine Freude an einem Cordon bleu gehabt. Aber welche Sorte würde Agent 007 wohl am besten munden? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

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