Berggasthaus Holzegg – Ene, Mene, Mythen

Die Fassade des Restaurant Holzegg, im Hintergrund der grosse Mythen im Profil

Wie bei uns allen ist auch mein Gedächtnis dem Fluss der Zeit unterworfen, welcher den Berg an vermeintlich sicheren Eindrücken stetig abträgt, bis nur noch diffuse Gedankenfetzen übrig sind. Mein treuester Verbündeter in diesem Abnutzungskampf ist das kleine Notizbuch, welches mich stets auf meinen Ausflügen begleitet. Man weiss ja nie, wo und wann einen die Rezensionslust packt. Letzthin hat mich der Blitz der Inspiration im Berggasthaus Holzegg in Alpthal erwischt, wo neben einer prächtigen Sicht auf den Grossen Mythen auch ein besprechenswertes Cordon bleu wartete.

Auf dem Parkplatz im behaglichen Schwyzer Alpthal (genauer gesagt in Brunni) ahne ich noch nicht, dass ich den Mittag mit dem Schreiben einer Rezension verbringen werden. Wir sind zu einer kleinen Wandertour angetreten, welche uns weg von der allgegenwärtigen Hitze und hinauf in höhere und kühlere Gefilden bringen soll. Der gemächliche Aufstieg führt durch das üppig grüne Zwäckentobel, wo es einem im Schatten einer hartnäckigen Wolke und der dichten Vegetation tatsächlich beinahe fröstelt. Knorrige Bäume mit ausgiebigem Wurzelwerk säumen den Weg und durch Lücken in den Wipfeln kann man immer wieder einen Blick auf den Grossen Mythen erhaschen. Oben auf dem Grat angekommen gibt es eine kleine Pause und den Beschluss, in einem der nächsten Restaurants für ein wohlverdientes Mittagessen einzukehren.

So führen uns die Wanderstiefel und leise knurrenden Bäuche letztendlich zum Berggasthaus Holzegg, wo wir auf der grosszügigen, aber etwas kargen Terrasse inmitten anderer Wandergruppen, bestehend aus Schulklassen und Grauschöpfen, Platz nehmen. Rechts die Fassade des Grossen Mythen, links freie Sicht auf den Stoss und das beschauliche Städtchen Schwyz: So entspannt es sich besonders gut. Als meine Augen beim Durchstöbern der Speisekarte den Eintrag «Hausgemachtes Schweins-Cordon-bleu» entdecken, macht die Ruhe einer gespannten Vorfreude Platz. Eigentlich ist mir der Sinn nach etwas Süssem, einen Cordon-bleu-Schmaus vor einer solch gewaltigen Naturkulisse kann ich jedoch unmöglich ausschlagen. Die Lippen an das Glas mit saurem Most und die Augen auf die Aussicht geheftet, vergeht die Wartezeit langsam aber stetig und scheint lange genug zu sein, um das Prädikat «hausgemacht» zu bestätigen. Nun ist Geduld gefragt. Ein angenehmes Lüftchen hilft dabei, den von der Wanderung tüchtig angefachten Appetit zu zügeln.

Auf dem servierten Teller leuchtet alles appetitlich in der Mittagssonne und in Kombination mit dem austretenden Käsefaden lässt mir der Anblick das Wasser im Munde zusammenlaufen. Beim ersten Schnitt zeigt sich gleich, dass man sich hier nicht streng an Traditionen hält: Eine aussergewöhnlich dicke Schicht an Schweinefleisch leistet ungewohnten Widerstand, vergütet das jedoch auch entsprechend mit Saftigkeit. Zum Schluss hin trudelt es dann leicht ins Trockene, bis dahin mundet es aber gut, auch wenn ich mein Fleisch dünner geklopft bevorzuge. Die Füllung kommt dafür auf leisen Pfoten angeschlichen, ohne Zweifel handelt es sich dabei um den mildesten Rahmkäse, den ich je verköstigen durfte. Er ist äusserst delikat und schmeichelt im Abgang mit unerwartet feinsinnigen Noten. So gut er auch schmecken mag, scheint die Rolle als Beigabe in einem Cordon bleu wegen seiner unscheinbaren Art nicht der ideale Einsatzbereich zu sein. Da der beigefügte Schinken ebenfalls keinen starken Eindruck hinterlässt, obliegt die Aufgabe einer zusätzlichen Breitseite an Würze der Panade. Dies führt sie solid, wenn auch nicht umwerfend, aus und punktet dazu mit ansprechender Optik sowie krosser Textur.

So versuche ich die fehlenden Aromen mit den Beilagen auszugleichen. Dies gelingt beim Gemüse eher schlecht als recht, da es als Bouillon-Durchschnitt gelinde gesagt nicht gerade Jubelstürme im Gaumen auslöst. Anders die Pommes Frites, welche interessanterweise auf sanfte Art knuspern, ebenso zurückhaltend gesalzen wurden und den berüchtigten «Nur noch eins mehr»-Effekt auslösen. Trotz leer gegessenem Teller sieht es für einen eigenen Dessert schlecht aus, die Pläne für den Rückweg haben sich von einer Fahrt mit der Seilbahn auf einen Abstieg zu Fuss geändert. Ganz ohne Süsses muss der Besuch jedoch nicht enden, dankenswerterweise erhalte ich die letzten Reste vom Coupe Romanoff meiner Begleitung. Dessen frische Früchte und rahmige Süsse glänzen geschmacklich fast stärker als das servierte Cordon bleu. So vollgepackt läuft es sich ring gen Talboden, wenn der Fuss falsch aufgesetzt wird, könnte man auch ohne Probleme runterkugeln. Wir kommen aber ohne Zwischenfälle unten an und vor der Abfahrt entdecke ich in einem kleinen Kabäuschen mit Alpwaren noch einen würzigen Chilikäse, der es in sich hat. Mit einem letzten wehmütigen Gruss an die beiden Mythen steigen wir ins Auto und treten den Rückweg in urbanere Gefilde an.

Man hat wahrscheinlich deutlich gemerkt, dass die Qualitäten des servierten Cordon bleus und meine persönlichen Vorlieben heute mehr als üblich auseinanderdrifteten und sich der Gesamteindruck entsprechend bei «gut, aber nicht weltbewegend» einpendelt. Wer aber genau nach einer Geschmackserfahrung mit mildem Käse und tüchtig Fleisch sucht, sollte im Berggasthaus Holzegg neben einem tollen Ausblick auch das kulinarische Glück finden. Keine Angst liebe Wanderfaule: Ein Fussmarsch ist nicht zwingend nötig, man kann auch direkt mit der Seilbahn zum Restaurant fahren.

Bewertung

Schweins Cordon bleu
6/10, «Gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://holzegg.ch

Zeit, über die beste Nebensache der Welt zu sprechen: Wie knusprig sollen Pommes Frites sein? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

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