Berge und Cordon bleu – eine wahrhaft exzellente Kombination. Deshalb kamen an einem Juniwochenende in Graubünden, das wir in der Ustria Parlatsch verbrachten, meine Füsse und mein Magen gleichermassen auf ihre Kosten. Landschaft oder Küche, wer konnte den Kampf um mein Herz für sich entscheiden?
Glücklicherweise haben wir unseren Aufenthalt für nach dem Pfingst- und Auffahrtsansturm geplant. Angenehm wenig Leute, herrlichster Sonnenschein aber trotzdem nicht zu heiss – die ideale Kulisse für ein erholsame Zeit im Gebirgskanton. Nach der Ankunft im Hotel machen wir uns gleich zu einer gemütlichen Wandertour auf, die uns über den Crestasee via Felsbachschlucht zum Caumasee und nach Conn führt. Trotz der vielen Gewässern auf unserem Weg reicht es aus verschiedenen Gründen nicht zu einem Sprung ins kühle Nass, weshalb wir nach der Rückkehr sofort unter die ersehnte Dusche eilen. So viel frische Luft und Bewegung macht verständlicherweise äusserst hungrig und nach einer kurzen Ruhepause ist zum Glück bereits Zeit für das Abendessen.
Bereits auf der Treppe zum Eingang macht das Restaurant einen hervorragenden Eindruck. Man hat den Kern eines traditionellen Alphäuschens intakt gelassen und darum herum behutsam und modern mit viel Holz und Glas ausgebaut. Das Resultat kann sich sehen lassen, verbindet es doch auf stilvolle Art heimelige Gemütlichkeit mit zeitgenössischer Eleganz. Die Aussicht von der Terrasse auf Wiesen und Berge kann sich damit aber ohne Probleme messen.
Auf der Speisekarte locken verschiedene Bündner Spezialitäten sowie Pouletflügeli und ein Cordon bleu vom Bündner Schwein, gefüllt mit Davoser Bergkäse und Bündner Rohschinken. Durch und durch lokale Zutaten, äusserst lobenswert. Kurz kämpfe ich noch mit mir, ob ich nicht doch die Flügeli wählen soll aber da ihr diese Rezension lest könnt ihr erahnen, was sich schlussendlich durchgesetzt hat. Während unsere Bestellungen zubereitet werden, geniessen wir den Ausblick und das laue Lüftchen, welches den Geruch von frisch gemähten Wiesen an unsere Nasen trägt. Für Gesprächsstoff sorgt ausserdem das charaktervolle Besteck, von dem wir gerne eine Garnitur nach Hause nehmen würden. Tun wir natürlich nicht, man möchte ja ein anständiger Gast sein. Das Restaurant ist gut gefüllt, aber nicht rappelvoll und zusammen mit der äusserst freundlichen Bedienung herrscht so eine ruhige, bodenständige Gastfreundschaftlichkeit, die mir lieber ist als die etwas durchkommerzialisierte Atmosphäre im nahen Flims.
Eine schöne Stimmung und großartige Aussicht sind zwar gut für Kopf und Herz aber meinen Magen gelüstet es nach handfesteren Köstlichkeiten. Diese lassen erfreulicherweise nicht mehr lange auf sich warten, beim Anblick des ansehnlich angerichteten Tellerinhalts fliesst mir das Wasser im Munde zusammen. Besonders das Gemüse sieht umwerfend aus, zuerst wird indes vom Cordon bleu gekostet. Dieses kann mit seiner Panade im Schönheitswettbewerb durchaus oben mitspielen, es ist hingegen schade, dass die Textur weich statt knusprig ist. Beim Schweinefleisch gibt es hingegen nur eine passende Beschreibung: überragend! Saftig, zart, voller Geschmack und eine Spur dicker als sonst, was in diesem Fall ein grosses Plus ist. Der Bergkäse ist zwar angenehm mild und samtig, durch diesen dezenten Charakter fehlt im Gesamtpaket aber eine prägnante Geschmacksnote. Alles in allem also eine etwas blasse Kreation, ich bin dank dem tollen Fleisch trotzdem damit zufrieden.
Das regionale Gemüse ist nicht nur optisch ein Hingucker, die Garnitur aus Kräutern und Olivenöl sorgt für einen raffinierten Gout und ist eine willkommene Abwechslung zum üblichen Bouillon-Standard. An den Pommes Frites kann ich ebenfalls nichts aussetzen – keine Spur fettig, trotzdem hübsch knusprig und auf den Punkt gesalzen. Meiner Partnerin sind sie optisch etwas zu weiss aber für mich stimmts so. Da wir als Gruppe hier sind, gibt es für mich netterweise die Möglichkeit, von den anderen Speisen zu kosten. Die Pizzokels sind geschmacklich genauso, wie ich mir das Cordon bleu gewünscht habe: Knackige Spargeln sowie rauchiger Speck setzen kräftige Schwerpunkte und der Davoser Bergkäse sorgt für einen weichen Ausgleich.
Mit der heutigen Lauferei habe ich mir selbstverständlich ein Dessert verdient und entscheide mich dabei für Meringues mit Glace und Rahm. Das süsse Glück verschwindet mit grossen Bissen in meinem Bauch und mein Appetit reicht sogar noch, um vom Holunder Panna Cotta mit Rhabarber-Kompott zu degustieren, welches jemand anderes am Tisch bestellt hat. Das begeistert durch seine weich-solide Textur und der Verbindung von samtiger Creme mit süss-sauren Früchten. Die Küche des Parlatsch versteht ihr Handwerk.
Kurze Zeit später fordern das gute Essen und die Ertüchtigung des Tages bei mir ihren Tribut und da morgen noch einmal eine Wanderung auf dem Plan steht, verabschiede ich mich in Richtung Zimmer. Meine müden Füsse tragen mich zum Bett, wo ein tiefer und traumloser Schlaf auf mich wartet.
Tolles Ambiente, bodenständige Gastfreundschaft und eine interessante Küche – wenn der zu milde Käse nicht gewesen wäre, gäbe es von mir eine uneingeschränkte Empfehlung für die Cordon bleus im Parlatsch. Falls ihr damit kein Problem habt und zusätzlich noch das Wanderfieber verspürt, lohnt sich ein Abstecher aber definitiv.
Bewertung
Schweins-Cordon bleu
6/10, «Gut»
Detailbewertung
Kategorie | Punkte |
---|---|
Panade | 5/10 |
Fleisch | 8/10 |
Füllung | 6/10 |
Gesamtgeschmack | 7/10 |
Speisekarte | 5/10 |
Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog
Infos zum Restaurant
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