Restaurant Gubel – Gute Aussichten

Namensschild an der Fassade des Restaurant Gubel

Zum feierlichen Anlass der 50. Cordonblog-Rezension (Wie die Zeit vergeht!) wurde ich von kulinarisch bewanderten Freunden zu einem ganz besonderen Cordon bleu eingeladen. Dabei handelte es sich um etwas, was ich mir schon lange erwünscht habe, aber bis jetzt noch nie probieren konnte: Cordon bleu am Knochen. War es die Erfüllung eines Traumes oder eine harte Landung in der Realität?

Einmal mehr liegt das Ziel etwas ab vom Schuss, weshalb die Anreise mit dem Auto stattfindet. Von Zug aus führt uns das Navi die Strasse hoch in die bewaldeten Hügel rund um Menzingen. Als wir um eine weitere Ecke biegen, taucht plötzlich das auf einem Hügel thronende Restaurant im Sichtfeld auf. So stolz, wie es dasteht, werden Erinnerungen an Landgüter in der Toskana wach, welche Landschaften auf eine ähnliche Art und Weise für sich einnehmen. Beim Eintreffen auf dem bereits gut gefüllten Parkplatz wird rasch klar, dass das Lokal trotz (oder gerade wegen?) des abgeschiedenen Standorts zu florieren scheint. Das muss für die aussergewöhnliche Qualität der Küche sprechen, spontane Laufkundschaft wird es hier in der Umgebung eher weniger geben. Während die Fassade des Gasthauses mit hübschen Schindeln die traditionelle Fahne hochhält, ist der Ausblick auf der gegenüberliegenden Seite ungleich fesselnder: Das Panorama erstreckt sich von den ersten Hirzel-Linden auf der rechten Seite über die beschauliche Landschaft des Zugerlandes, Frei- sowie Säuliamtes bis hin zum Zugersee und Ausläufer des Kanton Luzern. Die Augen kommen ob dieser für Schweizer Verhältnisse atemberaubenden Weite gar nicht mehr aus dem Staunen heraus.

Kaum sind wir durch die Tür eingetreten, ist auch bereits der Gastgeber Andras Kishegyi zur Stelle und begrüsst uns mit warmen Worten sowie einem kräftigen Händedruck. Meine Begleiter kennen ihn bereits aus früheren kulinarischen Stationen in der Stadt Zug, weshalb der Besuch für sie quasi ein Heimspiel darstellt. Ich bin äusserst gespannt und sehne weiterhin einem Cordon bleu der Spitzenklasse entgegen. Die gute Stube ist bereits rappelvoll und strahlt dank dem schönen Täfer und behaglich gedämpfter Beleuchtung eine wunderbar heimelige Stimmung aus. An unserem Ecktisch geniessen wir zudem ein laues Lüftchen aus dem offenen Fenster nebenan. In dieser wohligen Stimmung gestaltet sich die Durchschau der gut kuratierten Speisekarte besonders angenehm. Auch ich wage einen Blick, obwohl wenn meine Wahl ohnehin bereits feststeht: Das Cordon bleu des Hauses wird vom Schweinskotelett serviert und von einer Füllung aus Schwarzwälder Rohschinken sowie Appenzellerkäse begleitet. Dazu werden Saisongemüse und Pommes Frites gereicht. Wer eine grössere Auswahl an Variationen sucht, muss stattdessen für einmal darauf vertrauen, dass in dieser Kreation die gesammelte Expertise der Küche gebündelt wird und es dementsprechend grossartig mundet. Mein suchendes Auge huscht derweil trotz gesetzter Hauptspeise weiter emsig durch die Seiten, da es mich nach einem Entree gelüstet. Im hausgemachten Chnoblibrot ist dann schlussendlich ein hoffentlich mehr als würdiger Kandidat gefunden, auf der anderen Seite des Tisches will man es stattdessen mit einem Rindstatar versuchen. Kurz nachdem unsere Bestellungen aufgenommen wurden, fliegt bereits ein Grüsschen aus der Küche an unsere Plätze. Die kleinen mit Tomaten-Erdbeer Gazpacho gefüllten und mit Olivenstückchen garnierten Gläschen vereinen die leichte Säure der Beeren mit salzigen und bitteren Noten zu einem erquickenden Sommerhäppchen.

Wolkenspektakel und zugige Winde machen den Blick aus den Fenstern zu einem eher herbstlich anmutenden Erlebnis. Gemeinsam mit einem tüchtigen Regenguss wird auch die Vorspeise serviert, so dass die Aufmerksamkeit ohnehin lieber in der Gaststube verweilt. Mein Knoblauchbrot ist ein cremig-luftiges Gedicht, getragen von einem an den Rändern leicht knusprigen, innen jedoch weichen und warmen Unterbau, auf welchem die frischen Aromen von Knoblauch und Kräutern harmonisch tänzeln. Es ist genau das Richtige, um den Hunger etwas zu zähmen und im Gegenzug den Appetit tüchtig anzufachen. Dieser klettert unermüdlich empor, insbesondere während ich meinen Mitessenden beim Genuss des Tatars beobachte und mich immer mehr auf das Cordon bleu zu freuen beginne.

Als unsere Teller mit dem Hauptgang eintreffen, ist eine Verwechslung ausgeschlossen: Eine ansehnliche goldene Panade mit prägnant herausragendem Knochen markiert die für mich bestimmte Speise in kräftiger Deutlichkeit. Das gute Stück begräbt an einem Ende des Tellers die beigefügten Gemüse unter sich, die, wenn sie sprechen könnten, wohl leise Ächz- und Seufzgeräusche ausstossen würden. Die Pommes Frites haben sich gar nicht erst auf diese beengten Platzverhältnisse eingelassen und sind in ein separates Pfännchen geflüchtet. Ein kurzes Hochheben mit kritischem Blick offenbart, dass die Panade auf der unteren Seite des Cordon bleus einen durchgeweichten Eindruck macht. Beim Anschnitt reicht es dennoch für einen ansprechenden Knuspereffekt. Das Abtrennen des ersten Stücks dient dem cremigen Käse als Startschuss, um unter meinem staunenden Blick in einer nicht enden wollenden Kaskade aus dem Inneren zu strömen. Kein gutes Vorzeichen für die ausgewogene Verteilung der Füllung, mit etwas besorgtem Gemüt widme ich mich aber erst einmal dem Verköstigen des Anschnitts. Umgehend wird klar, dass das Kochteam bei der Auswahl und Zubereitung aller Komponenten ein mehr als glückliches Händchen hatte: Der Appenzellerkäse ist untypisch sanft statt kräftig, rinnt geschmeidig rasch durch den Gaumen und hinterlässt beim Abschied eine kribbelnd rezente Geschmacksnote, die sofort Lust auf Mehr macht. Diese liebliche Seite der Füllung findet in der dunklen, salzigen Würze des Schinkens ihren willkommenen Ausgleich und präsentiert sich dadurch vielschichtiger als erwartet. Doch der (nicht ganz so) heimliche Star des Ganzen ist zweifellos das im Vergleich zu anderen Cordon bleus ungewohnte aber dafür ungemein saftige Schweinskotelett, welches meine Geschmacksknospen mit seinem dezent nussigen Geschmack in helle Freude versetzt.

Zwischen den Bissen bestaune ich die dünne Textur der Panade, welche zumindest auf der trockenen Oberseite so dünn geraten ist, dass man die Zinken der Gabel durchscheinen sieht und ärgere mich ehrlich gesagt ein wenig über die Situation mit der Käseverteilung, welche mit fortschreitendem Essstand immer akuter wird. Gab es zu Beginn noch bei jedem Mundvoll eine üppige Menge des mundigen Appenzellers, muss ich ab der Hälfte immer länger suchen, um noch eine Spur davon aufgabeln zu können. Reichlich zu spachteln gibt es bei den sehr ordentlichen Beilagen, von denen mir insbesondere das angenehm knackige und mit genug Eigengeschmack auffahrende Gemüsebouquet äusserst gut gefällt. Die Trumpfkarte der Pommes Frites ist der dank raffinierter Gewürzmischung abwechslungsreiche Geschmack, auf der Knusperskala brillieren jedoch nicht alle mit der gewünschten krachenden Hülle. Obwohl nicht alles eitel Sonnenschein war, bin ich am Ende des grosszügig gefüllten Tellers nicht einfach satt, sondern auch zufrieden. Der Speiseraum hat sich unterdessen langsam und stetig geleert, die wohlige Stimmung ist jedoch Dauergast. Dem geschäftigen aber stets ungemein freundlichen Restaurantteam bleibt unsere kulinarische Untätigkeit nicht verborgen, und ehe wir uns versehen, blicken wir in die liebevoll als Fotoalbum aufgemachte Dessertkarte, welche nicht nur mit ihrer originellen Gestaltung zu einem süssen Nachspiel lockt. Etwas Kleines sollte genau noch reinpassen, das Caramelköpfli mit Rahm kommt da gerade richtig. Währenddessen verrät ein Blick in die Bergbestimmungsapp, dass in wenigen Minuten Zeit für den Sonnenuntergang ist. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und nutzen die Gelegenheit, um die Wartezeit auf die Nachspeise draussen vor dem Restaurant zu verbringen. Die erhoffte spektakuläre Aussicht enttäuscht nicht, die Sonne blitzt als oranger Feuerball unter der dicken Wolkendecke hervor und gibt auf ihrem Abwärtsgang gen Horizont den Blick bis auf entfernte Hügel in Basel-Landschaft frei. Mit einer solchen Pracht kann selbst der aufwändig dekorierte Teller meines Caramelköpfchens nicht mithalten, süss und rahmig mundet es aber zweifellos. Eine grosse Freude ist das Gespräch mit Andras, der sich zwischendrin netterweise Zeit nimmt, um mit uns über die Vor- und Nachteile des hauseigenen Cordon bleus zu plaudern. Diese Gastfreundschaft, welche sowohl von ihm als auch dem ganzen Team gelebt wird, begleitet meine Gedanken den gesamten Rückweg hindurch. Es wird wohl nicht mein letzter Besuch auf dem Gubel gewesen sein.

Ganz ehrlich: Am Ende eines Cordon bleus noch den Knochen abzunagen ist etwas, was ich von nun an definitiv vermissen werde. Die Premiere ist in dieser Hinsicht also geglückt, wenn auch die Verteilung des Käses in der Füllung nicht ganz zufrieden stellen konnte. Ich nehme die Ecken und Kanten dieses klassischen Cordon bleus im Austausch für den wunderbaren Fleischgenuss gerne in Kauf und zusammen mit der tollen Atmosphäre und dem löblichen Service des Gubel-Teams bleibt an dieser Stelle nichts mehr übrig, als euch einen Besuch nahezulegen.

Bewertung

Schweinskotelett Cordon bleu
7/10, «Sehr gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://restaurantgubel.ch

Hand aufs Herz: Mögt ihr euer Cordon bleu lieber mit Knochen oder ohne? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

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