Restaurant Bahnhof – Dampfkessel

Fassade des Restaurant Bahnhof in Esslingen

Ich habe eine Schwäche für pikante Speisen, die sich selbstverständlich auch auf Cordon bleus ausdehnt. Beim Besuch im Restaurant Bahnhof in Esslingen sprang mir deshalb unter allen angebotenen Variationen diejenige mit ordentlicher Schärfe sofort ins Auge. Welch freudige Überraschung, als diese dann ungewohnte Abwechslung aus der feurigen Note rauszukitzeln vermochte. Aber beginnen wir von vorne…

Sich über das Wetter zu beklagen, gehört zu den typisch schweizerischen Tugenden, denen auch ich bei Gelegenheit gern fröne. So zum Beispiel bei der Anreise nach Esslingen für diese Rezension: Man springt raus aus dem Zug in die frostige Nachtluft und bereits leicht bibbernd von dort aus wieder zurück in die Wärme des eingetroffenen Buses, bevor auf dem letzten Fussmarsch wieder zugige Abendbrise auf dem Programm steht. Solche Wechselbäder mögen gesund sein, mein liebster Zeitvertrieb sind sie nicht.

Entsprechend angenehm ist die Ankunft im Restaurant, wobei mich nach dem Eintreten die Wahl zwischen dem Speisesaal zu meiner linken oder rechten kurz in Verwirrung stürzt. Das zögerliche Abbiegen nach links erweist sich als korrekt und nach kurzer Zeit sitze ich an einem Tisch bei der Wand und lasse die Inneneinrichtung auf mich wirken. Bodenständig aber gepflegt beschreibt die Stimmung wohl am ehesten. Nobles dunkles Holzmobiliar, adrett gedeckte Tische, leichte Rauchnoten in der Luft und ein voll besetzter Stammtisch, welcher die gute Stube eifrig mit aus der Hüfte geschossenen Sprüchen und rauem Gelächter füllt.

Während ich auf meine Begleitung warte, inspiziere ich vorsorglicherweise schon einmal die Speisekarte. Zwischen Pizza, Pasta, heissem Stein und Spätzli aus Grosis Chuchi lachen mir dann die Cordon bleus von einer langen Liste entgegen. Ganze dreizehn Sorten stehen bereit, statt abergläubisch zu zittern, nehme ich die mit Vorurteilen behaftete Zahl als gutes Omen. Mehrheitlich standen die Kantone als Namenspaten, wobei es einmal mehr eine gute Portion Fantasie braucht, um den Zusammenhang zwischen der Füllung und dem zugewiesenen Namen zu erkennen. Abgesehen davon haben die Variationen viel Erfreuliches zu bieten: Sowohl bei dem verwendeten Käse als auch den anderen Komponenten wird Abwechslung geboten, ohne in allzu abgedrehte Sphären abzudriften. Einzig beim Fleisch wird man nicht mit Optionen verwöhnt, alles wird vom Schwein und in einer Standardgrösse serviert. Dafür steht bei den Beilagen neben Bewährtem wie Pommes Frites, Teigwaren oder Gemüse auch ein Risotto zur Auswahl. Ich gerate ob der Vielfalt ins Grübeln und Straucheln. Das «Engelberger» (Speck, Alpkäse und Zwiebeln) lockt mit rustikalen Werten, am «Urner» (Rohschinken, Schafkäse, Tomatenscheiben und Chili) meldet meine Neugier Bedarf an und beim «Neuenburger» (Schinken, Emmentalerkäse und Ananas) bleibt mir ob der Tropfenfrucht nur ein trauriges Kopfschütteln. Als Ehrengast in der Kategorie «Ungewohntes» sei hier noch das «Zuger» mit seinem Innenleben aus Schinken, Sardellenfilet, Kapern und Raclettekäse genannt. Dessen Mischung scheint bis an die Aromaschmerzgrenze vorstossen zu wollen. Nach reiflicher Bedenkzeit fällt meine Entscheidung dann noch einmal anders aus, nämlich zu Gunsten des gut gefüllten «Glarner» (Rohschinken, Peperoncini, Pfefferkäse, Knoblauch und Zwiebeln), wobei mich insbesondere das Zwischenspiel von feurigem Käse und scharfer Schote interessiert. Meine mittlerweile eingetroffene Begleitung fühlt sich dem Traditionellen verbunden und wählt das «Appenzeller» (klassisch mit Schinken und dem gleichnamigen Käse) begleitet von einem Salat, bei mir komplettieren Pommes Frites das Hauptspeisenduett.

Im Gespräch zu zweit vergeht die Zeit angenehm rasch, so dass beinahe zeitgleich mit dem ersten warnenden Knurrgeräusch aus der Magengegend auch die Teller eintreffen. Als begeisterter Anhänger von bunten Plattenpanoramen gefällt mir die hübsch farbige Komposition aus knallgelben Pommes Frites, grün-orangem Gemüse und dem in diversen Brauntönen daherkommendem Cordon bleu ausnehmend gut. Die herrliche Farbe der Panade lockt meine Messerspitze gleich als Erstes dorthin und dank der dünnen aber enorm knusprigen Textur bietet sie einen erfreulichen Auftakt. Bei der darunterliegenden Schicht aus Schweinefleisch ist der Eindruck durch eine eher trockene Konsistenz nicht ganz so rosig, all dies geratet jedoch bei der Ankunft am Herz des Cordon bleus in Vergessenheit: Eine prägnante Knoblauchnote, überraschend ausdifferenzierte Schattierungen von Schärfe bei der man tatsächlich sowohl die erdige Hitze des Pfefferkäse als auch das prickelnde Feuer der Peperoncini wahrnehmen kann und zu guter Letzt steuern die grob geschnittenen Zwiebelfäden noch eine abwechslungsreiche Textur zu jedem Bissen ein. Dass sich der Rohschinken nicht gross bemerkbar macht und die Gesamtmenge an Würze schon fast in einer Überdosis mündet sind für mich vernachlässigbare Tropfen an Trübsal, die im grossen Genussfluss untergehen.

Da die pikanten Elemente meine Zunge piesacken, flüchtet sich der Gaumen immer wieder in die lindernden Arme der Beilagen. Das Gemüse hätte ich mir noch eine Spur knackiger gewünscht, es bringt aber immerhin noch genug Eigengeschmack mit. Ganz anders die rundum ausgezeichneten Pommes Frites, welche wunderbar krachen und mit einer unerwarteten, aber willkommenen Prise Säure in der Gewürzmischung aufwarten. Mein Teller ist in Rekordzeit «rüübis und stüübis» leer und ich lehne mich satt und zufrieden im bequemen Holzstuhl zurück. Auf der anderen Seite des Tisches löst die von der üppig beigegebenen Salatsauce durchtränkten Panade des Cordon bleus verständlicherweise grossen Unmut aus, eine Kritik die vom Servierpersonal verständnisvoll aufgenommen und an die Küche weitergegeben wird. Appetit auf ein Dessert verspüren wir beide nicht, weshalb nach einem stärkenden Kaffee bereits der Heimweg angetreten wird.

Bewährt, aber komplex: Das Orchester in der Füllung spielte seinen Auftritt mehr als überzeugend und das Herausschmecken der nuancierten Schärfe war mir eine grosse Freude. Wer insbesondere an sehr guten Füllungen seine Freude hat, findet im Restaurant Bahnhof in Esslingen eine ideale Adresse, um die Cordon-bleu-Lust zu stillen.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Glarner»
7/10, «Sehr gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://www.ristorantebahnhof.ch

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