Hotel Helvetia Part I – Grenzerfahrung

Aussenansicht Fassade Hotel Helvetia

„Für ein gutes Cordon bleu geht ein Kritiker meilenweit“ – dieses Sprichwort ist landauf und landab noch nicht bekannt, aber das ändert sich vielleicht nach dieser Rezension. Für euch habe ich nämlich eine Reise in eine entlegene und wunderschöne Ecke der Schweiz unternommen und die dort servierten Cordon bleus probiert. Da sich mein Besuch über einen längereren Zeitraum streckt als sonst, habe ich die Rezension in zwei Episoden aufgeteilt. In diesem ersten Part dreht sich alles um das Mittagessen. Der zweite Teil folgt in ein paar Tagen und umfasst das Abendessen und ein Gesamtfazit.

Mein Ziel ist das Hotel Helvetia in Müstair, wo gerade ein Cordon bleu-Festival stattfindet. Wegen der etwas längeren Anreisezeit habe ich mich gleich noch für eine Nacht einquartiert. Als kleine Herausforderung habe ich mir das Ziel gestellt, drei verschiedene Cordon bleu Variationen in zwei Tagen zu verköstigen. Mal schauen, ob mein Plan aufgeht.

Die abwechslungsreiche Reise zur verheissungsvollen Schlemmerei führt mich zuerst nach Landquart, dann durch den Vereina-Tunnel nach Zernez und schlussendlich mit dem Postauto über den Schweizer Nationalpark und Ofenpass ins beschauliche Müstair, direkt an der Grenze zu Italien. Der Bus setzt mich vor der örtlichen Post ab. Nach seiner Abfahrt wird es wieder still im Ort, nur die Sonne und ein kalter, frischer Frühlingswind leisten mir Gesellschaft. Eine Wohltat nach dieser Bünder Odyssee.

Im Hotel ist bereits einiges los, kein Wunder es ist ja auch schon Mittagszeit. Trotzdem werde ich sehr freundlich empfangen und kann nach kurzer Zeit bereits mein Zimmer beziehen. Das Zimmer ist hell, modern und schön aber ohne Schnickschnack und riecht herrlich nach Arvenholz. Besonders gut gefällt mir die freistehende Badewanne.

Nach einer kurzen Auffrischpause mache ich mich auf den Weg ins Hotelrestaurant: Es ist höchste Zeit für das erste Cordon bleu!  Ein gewaltiges Wandbild dominiert den überschaubaren und gemütlichen Speiseraum, die hellen Holzmöbel und die Bar lockern den Eindruck etwas auf. Die Speisekarte des Cordon bleu-Festivals lässt mein Herz jubeln: Von scharf über rustikal bis zu Variation mit Fonduekäse ist alles dabei. Ich freue mich riesig, dieses Angebot in der nächsten Zeit zu degustieren.

Meine Entscheidung fällt auf etwas Pikantes: Ein Cordon-Chorizo mit einer Füllung aus lokalem Käse und der gleichnamigen rezenten spanischen Salami, begleitet von hausgemachten Nudeln. Nach der Bestellung nippe ich an meinem Eistee und lasse die Stimmung im Speisesaal auf mich wirken. Von den anderen Tischen dringt ein bunter Sprachmix aus Rätoromanisch, Italienisch und Deutsch mit österreichischer Note an meine Ohren. Meine Aufmerksamkeit richtet sich aber vor allem auf das Wandgemälde – die aufmerksame Bedienung bringt mir nach kurzer Zeit sogar eine laminierte Seite mit Hintergrundinformationen. Diese klärt mich darüber auf, dass das Motiv des Bildes die Calvenschlacht von 1499 ist, geführt im Rahmen des Schwabenkrieges. Dabei konnten die Bündner das Gefecht gegen die Tiroler für sich entscheiden.

Der reich gefüllte Teller, welcher vor mir auf den Tisch gestellt wird, reisst mich aus der Geschichtslektion zurück in die Gegenwart. Gelbe Nudeln, Rosenkohl an weisser Rahmsauce, orange Rüebli, braune Cordon bleu Panade und einige Früchte sorgen für ein buntes Kaleidoskop. Ausgehungert widme ich mich zuerst dem Cordon bleu, für das ich von weit her angereist bin. Die Panade setzt einen hervorragenden Anfang: Sie ist leicht, schön knusprig und leistet der Gabel erst knapp vor dem Fleisch ein wenig spürbaren Widerstand. Der sehr gute Eindruck setzt sich bei der Füllung fort: Val Müstair Käse und Chorizo ergänzen sich sehr gut. Die Salami sorgt für eine angenehme Hitze in der Mundhöhle, der milde Käse sorgt für einen optimalen Ausgleich und zieht ausserdem Fäden, dass es eine wahre Freude ist. Leider kann sich seine zarte Geschmacksnote nicht gegen die starke Salami durchsetzen. Das Fleisch schmeckt mir gut, es dürfte aber noch etwas saftiger sein. Alles in allem ein sehr mundiges Erlebnis, bei dem ich jeden Bissen geniesse.

Die Beilagen leisten ebenfalls einen wichtigen Beitrag. Rüebli und Rosenkohl sind leicht gewürzt und knackig, letzterer an einer unaufgeregten und überraschend leichten Rahmsauce. Den grössten Eindruck hinterlassen bei mir die selbstgemachten Nudeln, welche nicht nach Salz, sondern nach Ei, Mehl und Butter schmecken.

Die Familie Grond, welche das Hotel in 4. Generation führt, beweist ihr Geschick als ausgezeichnete Gastgeber. Während der Mahlzeit werde ich zwischendurch gefragt, ob alles in Ordnung ist und ob ich noch gerne einen Nachschlag hätte. Dies geschieht auf so freundliche und unaufdringliche Art, dass es mir schwer fällt „Nein“ zu sagen. Muss ich aber, sonst reicht es nicht mehr für ein Dessert.

Die hausgemachte Nusstorte kommt als Abstauber gerade richtig. Sie hat eine milde Süsse sowie eine dünne und leichte Teigkruste mit einem deutlichen Nussgeschmack – es ist lange her, dass ich so ein gutes Gebäck geniessen durfte.

Satt und sehr zufrieden begebe ich mich in mein Zimmer und anschliessend auf einen Verdauungsspaziergang durch das heimelige Dorf und die schöne Umgebung. Bereits steht fest: Allein für dieses Mittagessen hat sich die Reise allemal gelohnt.

Bewertung

Cordon-Chorizo
6/10, «Gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://www.helvetia-hotel.ch/

Habt ihr auch schon an mehreren Mahlzeiten hintereinander Cordon bleus verspeist? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

3 comments

Leave a comment

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert