Sagibeiz – Wo die Wale Schmausen

Eingang der Sagibeiz

Wer Cordon bleus liebt, kennt die Qual der Wahl, wenn man durch eine gut sortierte Variantenliste blickt und am liebsten alles bestellen möchte. Die Sagibeiz in Murg am Walensee hat eine unkonventionelle Antwort auf dieses Luxusproblem: Statt einem einzelnen werden ganze drei Cordon bleus im Miniformat serviert, jedes davon mit einer eigenen Füllung. Als mich ein Tipp auf diese Kreation aufmerksam machte, konnte ich natürlich nicht widerstehen und folgte dem Lockruf des verheissungsvollen Trios…

Petrus hat heute Waschtag, dementsprechend grau und nass ist die Stimmung am Bahnhof in Murg. Immer wieder gibt es kurze Momente, in denen die trübe Witterung den Blick auf die Churfirsten freigibt, welche mit ihren Wolkenbärten heute besonders grimmig dreinschauen. Ein solches Wetter treibt unsere Füsse in der Hoffnung auf eine trockene Stube zum Eilmarsch in Richtung Restaurant an.

Die feuchten Kleider und Schuhe, kalte Fingerspitzen: All diese Unannehmlichkeiten geraten beim Eintritt in den Speisesaal in Vergessenheit. Stattdessen sind die Sinne mit anderen Dingen beschäftigt: Die Augen laben sich an den dunklen Farben der rustikalen Holzelemente, die Nase erschnuppert deren erdiges Aroma, in welches sich der leicht rauchige Duft eines Kaminfeuers mischt und die Ohren vernehmen das sanfte Knistern der Flammen sowie leise Tischgespräche der bereits anwesenden Gäste. Ein Gefühl von Entspannung und Geborgenheit begleitet uns an den reservierten Tisch, wo wir eine Speisekarte im Überformat ausgehändigt bekommen. Auch wenn uns heute Abend die Seesicht verwehrt bleibt, gibt es hier drinnen doch genug zu bestaunen.

Aus allen Ecken und Winkeln des Raumes beobachten uns kleine geschnitzte Holzfiguren beim Studieren des Menüs. In Sachen Cordon bleu ist die Wahl klar, da abgesehen von der kleinen Dreierbande vom Schwein keine andere Variante angeboten wird.  Zur Vorspeise wird ein Tomatensalat mit Burrata ausgewählt, um den Magen schonend auf die dreierlei Mini Cordon bleus vom Schwein mit Rösti-Pommes vorzubereiten. Meine Begleitung lässt sich zu den Zanderknusperli (gebraten zu ihrem Genuss) verleiten, vielleicht inspiriert durch die anhaltenden Regengüsse? Nach der Bestellung nutzen wir die Gelegenheit und zähmen den durchaus vorhandenen Appetit mit bereits auf dem Tisch stehenden Schälchen von Brot, Butter und Salz, welche in Kombination äusserst gut munden. Ein Urteil, dass sich ebenfalls auf den nachfolgenden Tomatensalat erstreckt. Auch wenn er in der grossen Schüssel ein wenig verloren aussieht, harmoniert sein fruchtig süss-saurer Geschmack ausgezeichnet mit dem kräftigen Dressing und der sanften Burrata. Starke Einstiege also, die mich dem Auftritt des Trio Infernale umso neugieriger entgegenfiebern lassen.

Es treffen noch einige weitere Gäste ein, der Lärmpegel und die allgemeine Betriebsamkeit ist also angemessen hoch als unsere Hauptspeisen eintreffen. Ich muss zweimal hinschauen, um endgültig zu begreifen, dass man das «Mini» im Namen so wörtlich wie möglich ausgelegt hat. Die drei Cordon bleulein würden andernorts wohl als grosse Kroketten durchgehen, sie fügen sich optisch jedoch sehr gut in das übersichtlich angeordnete Gefüge auf dem Teller ein. Mein erster Halt gilt den im Gitterkörbchen aufrechtstehenden Rösti-Pommes, welche schlichtweg umwerfend aussehen. Als beim Hineinbeissen auch noch die Hülle glorreich zwischen den Zähnen kracht und den weichen Kartoffelgeschmack aus seinem frittierten Kokon entlässt ist klar, dass hier pure Gaumenfreude abgeliefert wurde. Im Abgang relativiert sich das hervorragende Gesamtbild wegen einer zu aufdringlichen salzigen Note ein wenig, diese Scharte kann jedoch durch die dazu gereichte und erfrischende Minz-Aioli ausgewetzt werden. Eine Gabel voll Gemüse wird auch noch mitgenommen, hier bin ich insbesondere von den munteren Kefen angetan.

Dann ist endlich der Zeitpunkt da, wo es um die Wurst, pardon die Cordon bleus, geht. Gemächlich beginne ich auf der rechten Seite, wo ein kurzer Blick in die Füllung verrät, dass hier Landrauchschinken und Gruyère reingepackt wurden. Ebenfalls offensichtlich ist, dass das Fleisch im Verhältnis eher dick geschnitten wurde. Dies äussert sich im Mund auf eine geschmackvolle aber kautechnisch eher durchzogene Weise. Im Gout ist dieses Cordon bleu ohne Zweifel das konventionellste im Bunde, kann sich jedoch durch das glasklar durchstechende Aroma des Schinkens, welches Hand in Hand mit dem würzigen Käse einhergeht, angenehm von anderen klassischen Varianten abheben. So langsam finde ich Gefallen an der Abwechslung, die mir dieses Cordon bleu Buffet en miniature bietet und schwenke Gabel sowie Messer nach links, um das nächste Exemplar zu degustieren. Preiselbeeren, Spinat und nicht genau definierter Käse haben es sich darin bequem gemacht. Geschmackstechnisch eine liebliche Kombination mit erdig-sanften Noten, welche einen direkt in den Herbst katapultiert und Vorfreude auf die Wildzeit weckt. Sie passt dementsprechend wunderbar zur draussen vorherrschenden Wetterlage, wo laut Kontrollblick zum Fenster immer noch stetiger Regen angesagt ist. Das Fleisch wurde hier etwas dünner ausgearbeitet, schade ist jedoch, dass der Käse unter den süsslichen Geschmäckern kaum heraussticht. Getreu dem Motto «Einer geht noch» ist nun das Schlusslicht der Dreierbande an der Reihe, wo ein durchschlagskräftiges Duo aus Roquefort und Speck wohl mit kräftig rezenter Wucht auf den Gaumen prallen wird. Genauso kommt es auch, der französische Blauschimmelkäse lässt seine Muskeln spielen und drängt den Speck an den Rand des Geschmacksspektrums, wo er zwischendrin schwach die Zunge kribbeln lässt. Eine klassische One-Cheese-Show, die mir dank der handlichen Grösse trotzdem nicht verleidet. Wer die obige Aufnahme aufmerksam studiert hat, wird rasch erkennen, dass die Panade der Cordon bleus frittiert wurde. Für mich gehört sie dank sagenhaft knuspriger Textur zum Höhepunkt dieser Kreationen, zusammen mit den Pommes Frites merkt man am Schluss des Tellers im Magen aber klar, dass hier keine leichtverdauliche Kost serviert wurde.

Was mir beim Cordon bleu abgenommen wurde, kommt nun beim Dessert wie ein elegant geworfener Bumerang zurück: Unter allen erhältlichen Süssspeisen bloss eine Einzige auszuwählen ist äusserst schwer. Erdbeercremeschnitte, spezielle Glaces und eine ominöse Beerenpizza sind die Favoriten. Die Neugier auf Letztere siegt, ich stelle mir in Gedanken bereits einen grossen Teller mit süss belegtem Kuchen vor. Die Realität ist dann freilich anders, der mit einer üppigen Beerenmähne garnierten gefrorenen Fruchtcreme auf einem Biskuitboden sehe ich die Verwandtschaft zur Pizza nur mit viel Phantasie an. Sie schmeckt trotz etwas widerspenstigem, weil dickem Biskuit sehr gut, ist aber nicht die erhoffte kreative Überraschung. Mit einem zufriedenen Seufzer lehnen wir uns in die Stühle zurück und während der Bauch verdaut, spielt der Kopf mit dem Gedanken wie es wohl wäre, im nebenstehenden Hotel kurzfristig ein Zimmer zu nehmen und morgen früh den Sonnenaufgang über dem Walensee zu geniessen. Aber ach, die Woche ist bereits mit anderem verplant und deshalb steht die olle Rückreise durch Niederschlag und Regionalzüge an.

Einmal mehr zeigt sich: Grösse ist nicht alles. Die Cordon bleu Dreierbande führt einen auf eine Geschmacksreise von herzhaft über lieblich bis hin zu kräftig. Somit wird jene Art von Abwechslung geboten, die man bei Cordon bleus der herkömmlichen Art eher selten findet. Wer in erster Linie nach Genuss strebt, ist in der Sagibeiz goldrichtig, für diejenigen welche ihre Cordon bleus traditionell bevorzugen gibt es aus meiner Sicht geeignetere Adressen.

Bewertung

Mini Cordon bleus
7/10, «Sehr gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://www.sagibeiz.ch

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