Wirtschaft zum Neubüel – Leisetreter

Die beleuchtete Fassade der Wirtschaft zum Neubüel bei Nacht

Cordon bleu Ja, weit reisen Nein: Mit dieser Vorgabe und gehörig Appetit klapperte ich auf der Suche nach einem Schmausemahl wieder einmal die Restaurants in meiner Nähe ab. Und siehe da, die in den Hügeln oberhalb von Wädenswil gelegene Wirtschaft zum Neubüel zelebrierte das Thema «Cordon bleu» im Februar mit einigen speziellen Variationen. Diese «Cordon-bleu-Party» konnte mich nicht in allen Punkten begeistern, hielt aber eine kuriose Überraschung bereit…

Mein letzter Besuch war lange vor den Zeiten von Cordonblog, trotzdem finde ich die Einrichtung der Gaststube immer noch so gepflegt bodenständig vor, wie sie mir in Erinnerung geblieben ist: Hölzerne Stühle und Wände in warmen Brauntönen, bequeme Kissen auf langen Sitzbänken und adrett karierte Vorhänge. Eine Auswahl an Tageszeitungen liegt aufgefächert auf einer Ablage neben unserem Tisch, in der anderen Ecke des Raumes stehen Holzkühe neben einigen Chipspackungen Spalier. Man wähnt sich in einer Oase behäbiger Gemütlichkeit und das emsige Treiben auf den Strassen jenseits der Fensterscheiben gerät rasch in Vergessenheit.

In der kompakt gestalteten Speisekarte findet man die Cordon bleus genau dort, wo sie auch hingehören: In der Mitte, flankiert von anderen Klassikern sowie Vorspeisen. Die Auswahl an Varianten fällt mit fünf Stück (vier vom Schwein, eines vom Kalb) nicht allzu gross aus, da aber alle mit einer unterschiedlichen Käsesorte in der Füllung an den Start gehen ist durchaus Abwechslung geboten. Ich schwanke zwischen dem «Wilde Maa» mit Rohschinken und Wildkräuterkäse sowie dem «Schnebelhorn» mit Speck und Bergkäse vom gleichnamigen Gipfel hin- und her, bis meine Vorliebe für Deftiges schlussendlich den Ausschlag zu Letzterem gibt. Bei den Beilagen gerät mein Magen erneut kurz ins Grübeln, doch auch wenn die Kroketten stark locken, ist es wieder einmal Zeit für Pommes Frites. Ein kurzer fragender Blick in die Runde zeigt, dass meine Begleiter ebenfalls ihre Wahl getroffen haben. Sie wollen ihr Glück mit einem Cordon bleu «Ticino» (pikante Salami, Taleggio) und dem Kalbs Cordon bleu (Mostbröckli und Gruyère) versuchen. Eine schöne Bandbreite, die am Ende des Abends darin resultiert, dass wir alle mit ganz unterschiedlichen Gefühlen aus dem Restaurant hinausgehen werden. Aber ich greife vor, an dieser Stelle der Rezension platzieren wir erst einmal unsere Bestellungen bei der sehr aufmerksamen sowie freundlichen Kellnerin, lehnen uns in die komfortablen Holzmöbel zurück und füllen die Wartezeit mit lebhaften Diskussionen.

Das Eintreffen der Teller wird von uns dem Hungerpegel entsprechend freudig begrüsst. Die schimmernde Hülle meines Cordon bleus erinnert entfernt an eine Perle, mit dem kleinen Unterschied, dass dies bei mir keine Bewunderung, sondern leichte Besorgnis über die Textur der Panade auslöst. Diese wird vom ersten knisternden Schnitt und der anschliessenden Verköstigung bestätigt: Die ansehnlich braune Knusperhaut ist zwar erfreulich dünn, hat jedoch spürbar Bratbutter aufgesogen und bietet mir deshalb ungewohnt träge Kost statt flockig-leichtem Krümelspass. Beim ersten Happen mit einer anständigen Portion Füllung werden meine Erwartungen erneut auf den Kopf gestellt: Die gewohnt herzhafte Begrüssung der Specknoten bleibt aus, stattdessen spielen sie in diesem Cordon bleu mit sanften und nussigen Tönen auf. Nach kurzer Bedenkzeit offenbaren die Gaumensinne und ein Augenschein, dass dies wohl daher rührt, dass es sich bei den beigefügten Speckstreifen um gekochte Exemplare handelt. Eine ungewöhnliche, aber willkommene Abwechslung, welche dazu führt, dass die geschmackliche Hauptrolle dem Bergkäse gebührt. Er schmiegt sich zu Beginn unscheinbar an den Gaumen, entfacht jedoch im Abgang ein willkommenes Strohfeuer aus rezenten Aromen, die sogar kurz ins süssliche abtauchen. Einen nicht ganz so lieblichen und spritzigen Eindruck macht das Schweinefleisch auf mich, es ist für meinen Geschmack weitgehend zu trocken ausgefallen.
Während die Hochs und Tiefs des Cordon bleus meine Gedanken beschäftigen, flitzen meine Finger immer wieder in die rechte Hälfte des Tellers. Dort liegen nämlich die Pommes Frites, umgeben vom schönen blauen Tellerrand mit weissen Blättermotiven stellen sie mit ihrem kräftig gelben Glanz ein besonders verlockendes Ziel dar. Wie es ihre beinahe durchsichtige Hülle schon andeutet, katapultiert einen jeder Mundvoll der Kartoffelstifte in den siebten Knusperhimmel. Nur die Würze hätte aus meiner Sicht eine Spur weniger Salz vertragen können. Zwischendrin komme ich in den Genuss eines Probierbissens vom «Ticino»-Cordon bleu, bei dem mir die harmonische Mischung aus rassiger Salami und mildem Taleggio ausgenommen gut mundet. Kein Wunder also, dass auf der anderen Seite der Tischplatte positivere Eindrücke zu den verspeisten Cordon bleus vorherrschen.

Mit leeren Tellern und vollen Bäuchen stellt sich einmal mehr die Frage nach einem Dessert. Eigentlich hatte ich schon beim Durchschauen der Speisekarte die Crema Catalana als Wunschkandidatin identifiziert, doch dann hat wie so oft Freund Zufall seine Hand im Spiel: Freundlich lächelnd stellt uns die Kellnerin ein Holzbrett mit verschiedenen kleinen Kuchenstückchen auf den Tisch und meint, dass wir uns je eines aussuchen dürfen. Wir lassen uns nicht zweimal bitten und nehmen das grosszügige Angebot dankbar an. Meine Wahl fällt auf ein Cremeschnittchen, die Crema muss bis zum nächsten Mal auf ihren Auftritt warten. Die heimelige Stimmung hat uns fest im Griff und wir verweilen angeregt diskutierend, bis die Abendstunde von fortgeschritten bis hin zu spät weitergezogen ist.

Kräftig, deftig, würzig, gut. Was für eine Leberwurst aus Deutschland gilt, schätze ich auch an meinen Cordon bleus. Insofern hat es das Küchenteam der Wirtschaft zum Neubüel geschafft, mich mit den feinsinnigen Geschmacksnoten des «Schnebelhorn» auf ungewohnte, aber dennoch wohlschmeckende Pfade zu führen. Leider konnten die matte Panade und das Schweinefleisch nicht mit den Qualitäten der Füllung mithalten. Wer grossen Wert auf eine gemütliche Atmosphäre legt, sollte den Abstecher Richtung Wädenswiler Berg trotzdem auf sich nehmen. Übrigens findet man nach dem Ende der «Cordon-bleu-Party» neben dem klassischen Schweins Cordon bleu auch immer ein «Cordon bleu des Monats» auf der Speisekarte.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Schnebelhorn»
6/10, «Gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://neubuel.ch

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Falls dieser Beitrag Appetit auf mehr geweckt hat, findet ihr in der Übersicht noch viele weitere meiner Rezensionen von Cordon bleus aus der ganzen Schweiz.

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