Hand aufs Herz: Wer könnte widerstehen, wenn man von einem Restaurant auf Social Media gezielt auf dessen gerade stattfindendes Cordon bleu-Festival hingewiesen wird? Ich auf jeden Fall nicht. Stattdessen folgte ich dem Sirenengesang bis zum Restaurant Löwengarten in Rorschach, um herauszufinden, ob sich hinter der verlockenden Fassade auch Genussgold verbirgt.
Die frisch verschneite Landschaft der Ostschweiz träumt unter einem grau bedeckten Himmel friedlich vor sich hin. So werden unsere ausschweifenden Blicke aus dem Fenster des Zuges mit so manch pittoreskem Sujet beglückt. Nach Ankunft in Rorschach unternehmen wir den obligaten Gang an den Bodensee und versuchen dort für einige Momente die ausladende Weitsicht zu geniessen, bevor uns eiskalte Böen hurtig in Richtung Restaurant treiben.
Nach dem Gang durch die Tür wird man von einem jener Speisesääle empfangen, bei der man den Alltag zusammen mit Jacke und Schal an der Garderobe zurücklassen darf: Edle dunkle Farben und ein langer, sich am Rande entlangschlängelnder Bartresen verleihen der Räumlichkeit der ehemaligen Brauerei ein gehobenes Wohlfühlambiente. Also genau das Richtige, wenn man ungemütliches Grauselwetter lieber gemütlich von einem Tisch aus durch die hohen Fenster hindurch beobachten möchte, statt draussen auf sich einprasseln zu lassen. Neugier und knurrende Mägen sorgen dafür, dass unsere Hände besonders motiviert zu den Speisekarten greifen. Auf deren ersten Seiten wird man gleich mit löblichen Bekenntnissen zu Regionalität und Nachhaltigkeit begrüsst, welche sich die Küche auf die Fahne geschrieben hat. Ein paarmal Umblättern bringt mich dann zum Auslöser meiner Visite: Acht Varianten sind für die Cordon bleu-Wochen angetanzt, es handelt sich um ein Best-of der üblichen Verdächtigen, welches nicht mit grossen Überraschungen aber dafür mit einer angenehmen Vielfalt auftrumpft. Standardmässig werden sie mit Schweinefleisch zubereitet, ein kleiner Satz weist jedoch darauf hin, dass auf Anfrage und bei Verfügbarkeit auch eine Zubereitung mit Kalbfleisch möglich ist. Ich möchte mit etwas Ungewöhnlichem ins Cordon bleu-Jahr starten und lande deshalb beim «Dijon» (Senf, Schinken, Brie und Knoblauch), während meine Begleitung am «Graubünden» (Frischkäse, Salsiz, Rohschinken und Walnuss) kleben bleibt.
Während wir auf die Cordon bleus warten, lassen sich unsere Sinne durch das wohlige Gefühl von langsam auftauenden Füssen und dem Klangteppich aus leiser Musik sowie Gesprächsfetzen der anderen Tische langsam einlullen. Mit immer näher rückender Mittagsstunde sind stetig weitere Gäste eingetroffen, welche sowohl zur Fraktion «Büezerzmittag» als auch «Business Lunch» gehören zu scheinen. Als der Teller mit meinem Cordon bleu eintrifft, wird dieses ob der eher blass geratenen Panade in die Kategorie «Nicht so der Hingucker» einsortiert. Dafür strahlen Pommes Frites und Gemüse mit ihren kräftigen Farben umso deutlicher hervor und laden meine Gabel zu den ersten Bissen ein, bei denen sie genauso mit ihren inneren Werten überzeugen: Im Grünzeug geniesse ich die buttrige Note, knackige Konsistenz sowie kleine Details wie die Einkerbungen auf dem Tomätchen, dank denen man die rote Beere ohne verbrühte Zunge oder spritzige Sauerei geniessen kann. Bei den Kartoffelstiften sind keine derartigen Kniffe nötig, sie brillieren dank krosser Hülle und schmackhafter Würze mit klassischen Werten.
Nach dieser kleinen Rundtour klopft die Messerspitze wieder beim Cordon bleu an und säbelt sich ein gut portioniertes Stück ab. Bei der anschliessenden Verköstigung stellt mein Gaumen freudig überrascht fest, dass die Panade mit ihrer leichten und fröhlichen Knuspernatur das von mir initial gefällte Urteil Lügen straft. Eine genauso willkommene Überraschung ist der charaktervolle Auftritt des Schweinefleischs, welches meine Geschmackssinne mit grandioser Saftigkeit und nussigem Aroma betört. Dass diese beiden Komponenten im Scheinwerferlicht glänzen können, ist insbesondere dem unerwartet ausgewogenen Einsatz von Senf, Brie und Knoblauch geschuldet, die zwar kräftige Akzente setzen, sich aber nie in den Vordergrund drängen. Der französische Weichkäse hätte für meinen Geschmack aber durchaus noch stärker zur Geltung kommen dürfen. Dies tut dem Genuss jedoch keinen Abbruch und der letzte Happen hinterlässt mich im angenehmen Bewusstsein, dass man jetzt schon noch mehr essen könnte, aber ehrlicherweise nicht noch mehr braucht. Also genau dann, wenn es am schönsten ist.
Für ein Dessert reicht es heute deshalb nicht. Stattdessen lassen wir uns von der Energie des Gluschts vor der Abreise noch in ein örtliches Spezialitätengeschäft tragen. Mit gut gefüllten Bäuchen und Taschen steht die Heimreise an den Zürichsee entsprechend unter einem dösigen Stern.
Am Cordon bleu des Restaurant Löwengarten zeigt sich, dass ein hervorragender Gaumenschmaus in erster Linie das Ergebnis gekonnter Handwerkskunst ist. Genau dies beweist das Küchenteam mit der Art und Weise wie die verschiedenen Komponenten zur Geltung gebracht werden, so dass von der delikaten Panade über das aromatische Schweinefleisch bis hin zur prägnanten Füllung alle ihre Stärken ausspielen, aber trotzdem im Gesamteindruck harmonieren. Wer Cordon bleus mag, sollte sich diese Genussecke am Bodensee nicht entgehen lassen. Die noch bis Ende Februar andauernden Cordon bleu-Wochen bieten dazu die ideale Gelegenheit.
Bewertung
Schweins Cordon bleu «Dijon»
8/10, «Hervorragend»
Detailbewertung
Kategorie | Punkte |
---|---|
Panade | 8/10 |
Fleisch | 8/10 |
Füllung | 7/10 |
Gesamtgeschmack | 8/10 |
Speisekarte | 6/10 |
Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog
Infos zum Restaurant
https://www.restaurant-loewengarten.ch
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