Restaurant Lägernstübli – Frühlingskraft und Früchtchenmacht

Adrett gedeckte Tische vor der Sitzbank des Restaurant Lägernstübli

Frühlingszeit ist Spargelzeit. Da aber bekanntlich das ganze Jahr hindurch Cordon bleu-Zeit ist, liess ich es mir nicht nehmen, diesen beiden Leckereien im Restaurant Lägernstübli in Boppelsen zu frönen. Konnte das servierte Cordon bleu mit einer Füllung der fruchtigen Art überzeugen oder wurde es vom grünen Langstielgewächs in den Schatten gestellt?

Zum Einstieg ein Geständnis: Bis vor kurzem wäre beim Namen «Boppelsen» bloss ein grosses Fragezeichen über mein Gesicht gehuscht, geschweige denn, dass ich die Ortschaft auf einer Schweizer Landkarte hätte verorten können. Nun aber sitzen wir im Auto und bewegen uns rasant in Richtung dieses Dorfes an der Kantonsgrenze zwischen Aargau und Zürich, gespannt darauf, ob die Verheissungen der Restaurantwebseite dem Urteil der knurrenden Mägen und Bäuche standhalten werden. Nach Regensberg und seinem trutzig-pittoresken Schloss windet sich die Strasse der Lägern entlang und wird zunehmend enger. Nun ist Geduld und Fingerspitzengefühl gefragt, der laue Sommerabend mit einer passenden Mischung aus Wärme und Frische hat nämlich auch eine Menge Velos und Motorräder zu einer Spritztour verlockt. Am Ende der kurvenreichen Strecke begrüsst uns dann endlich der beschauliche Dorfkern.

Als wir vom Parkplatz aus in Richtung Restaurant spazieren, ist von dessen Terrasse her live gespielte Gitarrenmusik zu vernehmen. Entsprechend beschwingt nehmen wir unseren weiss gedeckten Tisch in Beschlag und lassen die Augen umherschweifen. An den Wänden strahlen farbige Fahnen von regionalen Vereinen hinter Glasscheiben hervor, das Mobiliar ist altehrwürdig, gepflegt sowie entsprechend bequem und in der Luft hängt eine wehmütige Geruchspatina, die von zahlreichen wohl verbrachten Stunden in dieser Stube erzählt. Und von diesen scheint es in der fast 100-jährigen Geschichte dieser Dorfbeiz viele gegeben zu haben, denn als das Restaurant 2008 die Türen schliessen musste, sprang nach kurzer Zeit eine neu gegründete Genossenschaft aus dem Dorf in die Bresche und führt seither den Betrieb. Ganz unter dem Motto «Von Boppelsen für Boppelsen» steht auch die erste Seite der Speisekarte, auf der passend zur Saison allerlei Gerichte mit grünem Spargel aus lokaler Herkunft im Scheinwerferlicht stehen. Nach einigem Weiterblättern landet man dann bei einem Absatz mit dem vielversprechenden Titel «Cordon Bleu Factory» und kann sich ins Glück vertiefen. Vier Sorten tanzen an, alle jeweils vom Schwein oder Kalb erhältlich. Oberhalb der Liste umschreibt ein kurzer Text die Vorzüge der hauseigenen Cordon bleus derart gluschtig, dass gleich der Magen zu knurren beginnt. Mit hungrigen Augen studiere ich die Handvoll Variationen, wobei «Klassisch» und «Appenzeller» wegen ihren herkömmlichen Füllungen kein Interesse wecken. Anders sieht die Sache beim pikant-rustikalen «Sennentuntschi» (Speck, Zwiebeln, Knoblauch und Peperoncini) sowie dem aussergewöhnlichen «Gustoso» (Taleggio, Mangostücke und Schwarzwälder Schinken) aus, die beide auf sehr eigenständige Art reizvoll klingen. Als sich nach kurzer Zeit jemand anderes am Tisch für das «Sennentuntschi» entscheidet, gebe ich mir einen Ruck und gehe das Wagnis des fruchtigen «Gustoso» vom Schwein ein. Ehrensache, dass ich mir aber trotzdem einen Probierbissen vom «Sennentuntschi» erschnorre. Spargeln mit Bärlauch-Mandel-Pesto als Vorspeise komplettieren die Bestellung und lassen mich in stiller Vorfreude das Eintreffen der Speisen herbeisehnen.

Während wir warten, füllt sich die Beiz allmählich mit Leben, leere Tische werden zur Mangelware. Der Herr, welcher uns bedient, scheint heute Abend alleine die Stellung halten zu müssen, bleibt dabei aber stets charmant. Trotzdem kann auch sein trockener Humor nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass es etwas mehr Zeit als gewohnt braucht, bis die Teller mit unseren Vorspeisen eintreffen. Der prächtige Anblick meiner strahlend grünen Spargeln tröstet mich aber problemlos über die vergangenen Minuten hinweg, insbesondere, als sich beim Verköstigen das Zusammenspiel aus zart-süssem Königsgemüse und würziger Pesto als triumphale Geschmackssymphonie erweist. Meine Mitstreiter am Tisch äussern sich ebenfalls löblich über ihren kulinarischen Auftakt, es steht also 1:0 für Boppelsen. Ob das Cordon bleu passend nachlegen kann?

Zuerst ist wieder Geduld gefragt, mit bereits erprobter Gleichmütigkeit fügen wir uns dem Wartespiel. Gerade als das Auf und Ab der Tischkonversation zäh zu werden droht und die Blicke immer öfter aus dem Fenster wandern, erlöst der Anblick herannahender Teller unsere Gemüter und Mägen. Meine ovale Porzellanplatte ist hübsch mit Leckereien gefüllt und das farbige Bouquet aus Zitronenschnitz, Gemüse, Pommes Frites, Ketchup sowie der nobel-blassen Bräune des Cordon bleus schmeichelt den Augen vorzüglich. Entsprechend motiviert starte ich die gustatorische Erkundung des Cordon bleus «Gustoso» und beim Anschnitt wabert meinen Nüstern sogleich die intensive dunkle Aromafahne des Schwarzwälderschinkens entgegen. Der euphorische Auftakt trübt sich wieder etwas ein, als das erste Stück den Gaumen erreicht: Cremig-bitterer Taleggio sowie der bereits erwähnte Schinken harmonieren schön, aber wo bleibt die Mango? Erst in der Hälfte des Cordon bleus erwische ich einen Bissen, auf dem alle Parteien gleichberechtigt auftreten und mit den fruchtigen (aber erstaunlich heissen) Mangostückchen erhält die Komposition eine süsse Facette, welche ihr ausserordentlich gut zu Gesicht steht. Da diese Konstellation wegen der eher unausgewogenen Verteilung aber selten eintritt, dominiert über weite Strecken das herbe Geschmacksduett aus Taleggio und Schwarzwälderschinken. Sowohl die Panade als auch das Schweinefleisch reihen sich nahtlos in das Wechselbad der Eindrücke ein: Während Erstere ordentliche Punkte auf der Knusperskala einsammelt, für meinen persönlichen Geschmack aber etwas zu trocken geraten ist, beeindruckt das Fleisch dagegen eher mit seiner saftigen Textur als mit herausragendem Aroma.

Bevor ich mich an die Beilagen heranwage, ist es Zeit, den herausgehandelten Probierbissen des «Sennentuntschi» einzulösen. Die Komponenten der Füllung scheinen bei meinem Stück etwas ausgeglichener zur Geltung zu kommen als bei meinem «Gustoso», der erwartete rustikale Hammer aus Speck, Zwiebeln und Knoblauch bleibt aber aus. Dafür tanzt die Schärfe ordentlich auf, was ich mit einem raschen Griff zum Wasserglas quittiere. Meine Pommes Frites werden ebenfalls als Feuerlöscher einberufen und lösen die Aufgabe bravourös. Sie sind von dünner, beinahe filigraner Art und knuspern derart verlockend, dass ich die üblicherweise bevorzugten Pommes Alumettes keine Sekunde vermisse. In Sachen Salz hätte man sich meiner Meinung nach jedoch etwas zurücknehmen können. Wie es in dieser Hinsicht anders geht, zeigt das bissfeste Gemüse, welches ohne gross zugefügte Würze in erster Linie mit eigenem Geschmack überzeugt. Vor leeren Tellern sinnieren wir darüber, wie es um das Dessert steht. Der Gluscht sagt eifrig ja, ein Blick auf die Uhr und die immer noch vollgefüllte Gaststube lassen schlussendlich die Vernunft siegen. Als man nach dem Bezahlen der Rechnung gemächlich durch die letzten Strahlen der Abendsonne schlendert, bin ich froh und zufrieden, diesen weissen Flecken auf meiner geistigen und kulinarischen Landkarte des Kanton Zürichs gefüllt zu haben.

Trotz einladendem Ambiente sowie einer übersichtlichen, aber vielversprechenden Auswahl an Cordon bleus war mein Besuch im Restaurant Lägernstübli von gemischten Gefühlen geprägt. Insbesondere die unausgewogen wirkende Verteilung von Komponenten in der Füllung meines Cordon bleus stand dem erwarteten Geschmackshurrikan aus fruchtigen und rustikalen Noten im Wege. Lobend erwähnen möchte ich an dieser Stelle die grosse vegane Speisekarte des Restaurants, auf der auch verschiedene Varianten an Cordon bleus zu finden sind. Somit können hier Essensvorlieben aller Couleur harmonisch vereint ihr Cordon bleu geniessen.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Gustoso»
6/10, «Gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://laegernstuebli.ch

Wo verstecken sich in eurem Kanton die Geheimadressen für vielversprechende Cordon bleus?

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Falls dieser Beitrag Appetit auf mehr geweckt hat, findet ihr in der Übersicht noch viele weitere meiner Rezensionen von Cordon bleus aus der ganzen Schweiz.

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