Restaurant Freihof – Schlitterpartie

Hinterseite des Restaurants Freihof in Hinwil

Eine gute Adresse für Cordon bleus im Zürcher Oberland? Da stösst man rasch auf das Restaurant Freihof in Hinwil. Der Leitspruch “Es ist nicht so, dass wir besser wären, wir sind nur anders” zeugt von einer gesunden Portion Selbstvertrauen, aber wird der Anspruch beim Besuch auch eingelöst?

Ob wir endlich da seien, höre ich in einem fort von meinen Begleitern. Dabei ist es erst ein paar Minuten her, dass wir vom Bahnhof Hinwil aus in Richtung Restaurant aufgebrochen sind. Zugegeben, die klirrend kalte Nacht bietet nicht die ideale Bühne für einen Fussmarsch. Als das festlich geschmückte Lokal endlich im Sichtfeld auftaucht, lassen wir uns von den einladenden Lichtern nicht lange bitten und treten ein.

Der Empfang ist ausserordentlich freundlich, unsere schweren Wintermäntel bleiben gleich bei der Garderobe. In der Gaststube sorgen warme, helle Farbtöne und eine elegant zusammengestellte Einrichtung für eine gepflegte und heimelige Stimmung. Die Trennscheiben aus Plexiglas zwischen den Tischen stammen wohl noch aus Pandemiezeiten, statt zu stören geben sie uns am Platz in der Ecke jedoch das angenehme Gefühl, in einem Separee zu sitzen. Genau das Richtige für einen Abend unter Freunden, die einiges zu bereden haben. Auch meinen Kompagnons gefällt die Atmosphäre, der Begriff “Königsklasse” fällt und jemand meint sogar, dass sich jedes Dorf ein Restaurant in diesem Stil wünscht.

Das Aufschlagen der Karte im Grossformat fühlt sich feierlich und zeremoniell an, ein wenig so, als würde man eine altehrwürdige Tageszeitung öffnen. Was sofort sehr positiv ins Auge sticht, ist die detaillierte Auflistung der Haupt-Lieferanten für alle Produkte. Es sind auffällig viele Unternehmen aus der Region aufgeführt. Vorbildlich, davon kann sich so manch anderes Restaurant eine Scheibe abschneiden. Klassisch aber durchdacht geht es bei der Cordon bleu-Auswahl zu und her: Hinter jeder Sorte steht eine kurze Beschreibung des jeweiligen Geschmacksprofils, wie zum Beispiel «würzig» oder «mild». Zwar besteht bei der Bandbreite der verwendeten Adjektive noch Verbesserungspotenzial (was ist der Unterschied zwischen «würzig» sowie «einzigartig würzig» und wie darf ich das typisch schweizerische «mittel» verstehen?) aber das Konzept ist insgesamt eine willkommene Unterstützung, um die verschiedenen Sorten voneinander abgrenzen zu können.

Dreizehn Variationen buhlen um die Gunst, es kann auch zwischen verschiedenen Grössen und Fleisch vom Schwein oder Kalb ausgewählt werden. Das Angebot wird ausserdem jede Saison angepasst. Für ganz Unentschlossene hat das Restaurant ebenfalls eine Lösung parat: Der «Freihof-Cordon-bleu-Spiess» vereint alle vier saisonalen Cordon bleus als Mini-Version (je 111g) auf einem furchteinflössenden Eisengestell. Klingt zwar verlockend, für die Rezension möchte ich mich aber einem einzelnen Cordon bleu widmen. Jede Füllung klingt vielversprechend und kreativ, anhand der verwendeten Käsesorten wähnt man sich fast in einer Fromagerie. Am lautesten lockt mich dann die «Schneekanone», geladen mit einer Mischung aus Kräuterspeck, Knoblauchkäse, Lauch und Tomaten. Andere Bestellungen am Tisch sind das rustikale sowie originell benannte «Brigittli vom Bannholz» (Speck, Zwiebeln, Knoblauch und Goldingerkäse) und das «Bauern» (Bauernspeck, Sennenkäse und Lauch). Aus Letzterem wird sich im Verlauf des Abends noch eine kleine Tragödie entspinnen.

In unserer lauschigen Ecke wird eifrig gescherzt und gelacht, während die Diskussionsthemen eifrig durchgewechselt werden. Nicht überall herrscht Einigkeit, der wachsende Hunger in unseren Mägen vereint uns aber im gemeinsamen Leiden. Ein Grüsschen aus der Küche, bestehend aus einem Hackbratenwürfel und Randensalat, möchte Abhilfe schaffen. Die Kombination aus bodenständig und süss-saurem Gemüse schlägt sich wacker, reisst mich aber nicht aus den Socken. Ob wohl das kurz darauf servierte Cordon bleu nachhaltiger auftrumpfen kann?

Die herrlich anzuschauende Panade mit dunkelbrauner Farbe schimmert verheissungsvoll, die deutlich aufgeweichte Unterseite dämpft den guten Eindruck allerdings. Beim ersten Schnitt lacht mir die Füllung jedoch derart farbenfroh entgegen, dass ich gleich wieder versöhnt bin. Das Zutaten-Tetris ruht sich aber nicht auf seinen Schauwerten aus, es mundet auch sehr ordentlich: Unter der hauchdünnen und angenehm gewürzten Panade lässt das saftig-zarte Schweinsnierstück eindrucksvoll seine Aromamuskeln spielen. Nussig-herber Kräuterspeck, rassiger Lauch und cremiger Knoblauchkäse bilden zusammen mit der fruchtigen Tomate ein ungewohnt schmeckendes, aber kraftvolles Geschmackspäckchen, das mit dem Schweinefleisch intensiv um den Podestplatz in meinem Gaumen ringt. Chapeau an die Küche, dass am Ende jedes Bissens trotz der Menge an Zutaten ein harmonischer Eindruck zurückbleibt. Zu bemängeln sind die äusserst dick geschnittenen Knoblauchstücke, welche eindeutig zu dominant auftreten. Mehr Zurückhaltung wäre bei dieser Komponente von Vorteil gewesen. Kurzer Abgleich mit der Speisekarte: Die «Schneekanone» wird als «würzig» beschrieben, das ist doch ganz treffend.

Meine Beilagen tun sich leider schwer damit, an die Originalität des Cordon bleus heranzureichen. Bei den knusprigen und leicht süssen Spätzli ist die Welt noch in Ordnung, im Gemüse fehlt mir aber trotz bissfester Textur der Charakter und zusätzlicher Pfiff. Die Züri Frites meiner Mitessenden sind aber erste Sahne, neidig nasche ich immer wieder ein paar Stücke. Was fehlt noch? Ah ja, das «Bauern»-Drama. Meine Begleiterin stellt nach den ersten enthusiastischen Bissen etwas ernüchtert fest, dass ihr leider eine andere Sorte serviert wurde. Der dunkelrote Trockenfleischmantel in der Füllung lässt vermuten, dass es wohl eine Verwechslung mit dem «Bündner» gab. Kann mal passieren, ist aber natürlich trotzdem schade, wenn man sich nach reiflicher Überlegung für eine bestimmte Sorte entschieden hat. Die üppige Portionengrösse fordert ihren Preis, unsere Lust auf ein Dessert ist eher verhalten. Stattdessen vergnügen wir uns mit einer hervorragend erzählten Anekdote eines Dönerbudenbesuchs, die uns schallendes Gelächter entlockt und einige fragende Blicke der anderen Gäste einbrockt.

Auf der Zielgeraden zur hervorragenden Wertung stolpert das Cordon bleu im Freihof leider an entscheidenden Stellen. Dem holzhammermässigen Einsatz von Knoblauch in der Füllung und dem uninspirierten Wesen der Beilagen stehen kreative Sorten, ein ausgefeiltes Konzept für das Menü sowie ein in allen Belangen ansprechendes Cordon bleu gegenüber. Eine Enttäuschung auf hohem Niveau, allen Cordon bleu Fans lege ich den Besuch im Freihof in Hinwil trotzdem ans Herz.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Schneekanone»
7/10, «Sehr gut»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://freihof-hinwil.ch

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