Berggasthaus Masescha – Fürst Class

Aussenaufnahme Eingang Berggasthaus Masescha

Dieses Restaurant wurde von mir als eines der Cordon bleus des Jahres 2022 ausgezeichnet. Weitere Informationen dazu hier.

Ein mit 13 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnetes Restaurant, welches am Schnittpunkt von drei Ländern liegt und über alle Grenzen hinaus einen exzellenten Ruf geniesst. Nein, es liegt nicht in Basel, sondern in den Bergen des Fürstentums Liechtenstein. Das Cordon bleu aus dieser Küche steht bereits seit einiger Zeit ganz oben auf meinem Wunschzettel. Deshalb ist es höchste Zeit, den fürstlichen Nachbarn meine Aufwartung zu machen. Dass dann aber ein fruchtiges Dessert dem Cordon bleu die Show stiehlt, hätte ich nicht erwartet…

Das Wetter an diesem Freitag ist durchzogen, dunkle Wolken und stetiger Wind wechseln sich mit kräftigem Sonnenschein ab und begleiten uns auf unserem verschlungenen Weg. Mit dem öffentlichen Verkehrsmittel wird einige Male umgestiegen, bevor wir via Vaduz und Triesenberg endlich in Masescha eintreffen. Das gleichnamige Berggasthaus empfängt uns mit einer herrlich ausladenden Terrasse, die einen fantastischen Ausblick ins Tal, die Berge und das Wolkenspiel am Himmel bietet. Draussen zu essen ist meteotechnisch leider keine Option, wir begeben uns stattdessen in die Gaststube.

Drinnen herrscht die Ruhe vor dem anstehenden Mittagssturm und eine herzliche Begrüssung schallt uns entgegen. Der Wirt fragt schmunzelnd, ob wir nicht noch ein paar Freunde mitgebracht haben, anschliessend werden wir zu unserem Tisch geführt. Ich bin sehr angetan von der erstklassigen Inneneinrichtung des Speiseraums, welcher mit Finesse gestaltet wurde und elegant den Bogen zwischen traditioneller und moderner Einrichtung schlägt. Dank den hohen Fenstern können wir die Aussicht auch von hier drin geniessen.

Fast ebenso schön ist der Blick in die Speisekarte, wo zwei Arten von Kalbs-Cordon bleu angeboten werden. Eins im klassischen Stil, das andere im Zwiebelmantel und mit Malbuner Schinken. Beide werden mit Sücka Bergkäse von der Alpgenossenschaft Triesenberg gefüllt. Meine Begleitung und ich wählen beide die Version mit Zwiebelmantel und sind gespannt, wie dieser genau aussehen wird. Die Atmosphäre im Restaurant ist gemütlich entspannt und bleibt auch so, als sich zur Mittagszeit immer mehr Gäste einfinden und eine unaufgeregte Betriebsamkeit einsetzt. Vor unseren Augen ziehen die Wolken draussen tief über die grünen Hänge und sorgen so für ein eindrucksvolles Schauspiel. Mit der Behaglichkeit setzt langsam auch ein Heisshunger ein, unsere Mägen möchten gerne die Zwiebelmantelfrage beantwortet wissen.

Die Lösung dafür schwebt auf eleganten Tellern dem Tisch entgegen. Die Farbpalette der Kombination aus Pommes Frites, Gemüse und Cordon bleu erfreut das Auge, ein besonderes Bijou ist die elegant eingepackte Zitrone. Der Zwiebelmantel ist die optisch umwerfende Panade des Cordon bleus, den ich gleich auf die Probe stelle. Beim ersten Anschnitt wird gleich auch Bekanntschaft mit der güldenen Käsefüllung geschlossen, die sich im steten Strom auf der Platte ausbreitet. Doch wieder zurück zur knusprigen und grob texturierten Hülle, die mich mit ihrem unerwartet komplexen Geschmacksprofil begeistert. Durch die angenehme Würze und den dezenten Zwiebelgeschmack könnte sie genauso gut separat vom Fleisch serviert werden und würde immer noch einen denkwürdigen Eindruck hinterlassen. Trotz alledem ist sie aber geschmacklich diskret genug, dass sie die anderen Komponenten des Cordon bleus nicht überdeckt. Für mich ist das ein sensationelles Beispiel dafür, wie man mit Einfallsgabe und Kochgeschick aus einem oft stiefmütterlich behandelten Bestandteil meines Lieblingsgerichts etwas herausragendes zaubern kann.

Die Jubelstürme sind indes noch nicht vorbei, denn jetzt ist der Käse an der Reihe. Aber “Käse” ist eine zu banale Bezeichnung für eine solch charaktervolle und dennoch elegante Milchkreation. Diese geschmolzene Köstlichkeit ist weich, sämig und hat eine leicht rezente Note, die meinen Gaumen kitzelt und sanft auf der Zunge prickelt. Einen besseren Bergkäse habe ich noch in keinem anderen Cordon bleu verköstigt. Davon kann ich nicht genug kriegen aber zum Glück befindet sich neben dem See auf meinem Teller noch eine reichliche Menge im Cordon bleu. Das Kalbfleisch hingegen sorgt bei mir nicht für überschwängliche Begeisterung. Es ist zwar geschmackvoll, aber etwas faserig, das ist aber Kritik auf hohem Niveau. Im ansonsten fast perfekten Gesamteindruck fällt es jedoch etwas aus dem Rahmen, weil es nicht so hervorragend ist, wie die anderen Zutaten, sondern “nur” sehr gut. Abgerundet wird die Komposition durch den ausgewogen salzigen Malbuner Schinken. Auch bei den Beilagen wird das hohe Niveau gehalten – sowohl die knusprigen und schön gebräunten Pommes Frites als auch das auf den Punkt zubereite Gemüse lassen bei mir keine Wünsche offen.

So, liebe Lesende, an diesem Punkt könnte ich die Rezension mit der Bemerkung abschliessen, dass ich das beste Cordon bleu meines Lebens geniessen durfte und wir zufrieden nach Hause gingen. Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Die wahre Offenbarung dieses Besuches war nämlich nicht das fantastische Cordon bleu, sondern der gedeckte Apfelkuchen. Diese süsse Köstlichkeit wird nach einem streng gehüteten Geheimrezept zubereitet und der sehr sympathische Herr vom Service legt uns auf freundliche, aber bestimmte Art nahe, dass wir nicht gehen sollten, ohne davon gekostet zu haben. So eine Empfehlung kann man natürlich nicht abschlagen und so stehen nach kurzer Zeit zwei mit Puderzucker bestäubte Kuchenstücke vor uns.

Mit der Gabel trenne ich ein kleines Stück ab und freue mich dabei über den äusserst dünne und trotzdem knusprigen Teigdeckel. Als die Portion im Mund landet, schliesse ich genussvoll die Augen. Der Geschmack nach Apfel ist unverkennbar aber trotzdem anders als gewohnt. Die Süsse ist fruchtig statt klebrig und erinnert entfernt an Apfelkompott. Es ist, als hätte man die geschmackliche Essenz eines Apfels in diesen Kuchen destilliert. Nach dem ersten Bissen setzt bei uns am Tisch eine ergriffene Schweigepause ein, in der wir zu verarbeiten versuchen, was wir gerade gekostet haben. Daran scheitern wir indes beide und so setzt ein minutenlanges Gespräch ein, in dem wir unsere Eindrücke beschreiben und vergleichen. Aber auch so gelingt es uns nicht, diese Erfahrung zufriedenstellend in Worte zu fassen. Stattdessen essen wir andächtig weiter und kosten jeden Bissen bis aufs Äusserste aus. Bei der obligaten Frage, ob es uns denn geschmeckt hat, nicken wir nur benommen mit dem Kopf und wundern uns auch nicht, als wir erfahren, dass eine Woche vor unserem Besuch das französische Fernsehen im Berggasthaus vorbeigeschaut hat, um einen Beitrag über diesen Apfelkuchen zu drehen.

Nach dem Bezahlen der Rechnung (preislich durchaus höher als sonst aber völlig angemessen für die kulinarische Exzellenz) machen wir uns bergabwärts zu Fuss nach Vaduz auf. Die abwechslungsreiche Strecke führt uns über Wiesen und Wälder vorbei zum Wildschloss und dann in ein vornehmes Viertel der Liechtensteiner Hauptstadt, wo wir uns etwas fehl am Platz fühlen. Die Eindrücke, die wir am heutigen Tag sammeln durften, begleiten uns auf dem Heimweg und sorgen noch lange für angeregte Gespräche.

Der langen Rede kurzer Sinn: Wer Cordon bleus und generell gutes Essen liebt, muss ins Berggasthaus Masescha. Auf dieser Terrasse die Aussicht und den hausgemachten Apfelkuchen zu geniessen, kommt für mich dem perfekten Glücksmoment sehr nahe. Mein Besuch war auf jeden Fall in mehr als einer Hinsicht ein Augenöffner und ich werde hoffentlich schon sehr bald wieder zurückkehren.

Bewertung

Cordon bleu vom Kalb im Zwiebelmantel
9/10, «Fantastisch»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://www.masescha.li/

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