Den Ferienort Gstaad muss man nicht gross vorstellen. Ob in dieser Destination für Schöne, Berühmte und allerlei Jetset-Prominenz aber auch mundige Cordon bleus serviert werden, ist bis jetzt noch nicht abschliessend geklärt. Interessiert habe ich mich auf die Reise gemacht, um diesem Punkt auf den Grund zu gehen.
Die Exkursion beginnt morgens am Zürcher Hauptbahnhof, wo wir den Zug Richtung Bundesstadt besteigen. In weiser Voraussicht stärkt sich meine Begleitung mit Kaffee und Butterbretzel für die umfangreiche Anreise, denn wir werden ungefähr dreieinhalb Stunden brauchen und einige Male umsteigen, bevor wir unser Ziel im bernischen Saanenland erreichen. Während er an seinem Proviant knabbert, versuche ich meinem Hüngerchen mit Gedanken an das bevorstehende Cordon bleu beizukommen. Dies funktioniert allerdings eher schlecht als recht, was die Fahrt gefühlt noch ein wenig mehr in die Länge zieht. Für die letzte Etappe steigen wir in Zweisimmen auf spektakuläres Rollmaterial um: Der GoldenPass Belle Epoque wartet schon am Gleis, um uns mit stilechtem Retroflair durch die grüne Berglandschaft zu kutschieren. Die Einrichtung im Stil des Orient-Express beeindruckt uns mit ihrer Extravaganz und nach kurzer Zeit in den bequemen Sitzen fehlen eigentlich nur noch Whisky und Zigarren, damit man sich endgültig in einen Industriebaron aus den 1930ern verwandelt.
An unserer Endstation angekommen, verlassen wir den Bahnwaggon und biegen mit beschwingtem Schritt auf die örtliche Flaniermeile ein. Wie erwartet reiht sich Chalet an Chalet und natürlich sind die weltbekannten Luxusmarken zahlreich vertreten. Es lassen sich aber auch ein paar Kuriositäten finden: Der bodenständige Marktstand des Saaner Landfrauenverbandes steht selbstbewusst vor einem Edeluhrengeschäft und bei einer örtlichen Bäckerei hat der Familienname «Oehrli» der angelsächsisch-schweizerischen Eigenkreation «earlybeck» Platz gemacht. Nach dieser interessanten Dorfkernbegehung ist es höchste Eisenbahn für einen Mittagshappen, wir nehmen Kurs auf das Restaurant. Der Bär auf dem Logo winkt auch schon mit seinem Befehlsstab, da lässt man sich nicht lange bitten und tritt auf die ausladende Terrasse.
Die Speisekarte studieren wir hochkonzentriert und in angenehm ruhiger Atmosphäre, es sind glücklicherweise nicht allzu viele andere Gäste anwesend. Das Vorwort stimmt auf die Küchenphilosophie ein, es erzählt von lokalen Zutaten (viel Fleisch kommt z.B. aus der lokalen Buure Metzg) sowie persönlichen Beziehungen zu den Lebensmittelproduzenten, was für einen positiven Ersteindruck sorgt. Geradezu begeistertes Knurren in meiner Bauchgegend löst der geschäftige Mann am Grill einige Meter vor uns aus. Aus seiner Ecke dringen das knisternde Geräusch und der unwiderstehliche Duft von brutzelndem Grillgut zu uns herüber. So wird die sicher geglaubte Entscheidung für einen Moment ins Wanken gebracht, aber pflichtbewusst wählen wir beide das Cordon bleu des Hauses mit Schweinefleisch. Es ist mit 8 Monate gereiftem Raclettekäse aus Abländschen sowie Hinterschinken gefüllt und auch mit Kalbfleisch erhältlich. Bei der Grösse gibt es keinen Spielraum. Die aufmerksame Bedienung fragt uns aber gleich von sich aus, ob wir von den Bratkartoffeln lieber auf Pommes Frites umsteigen möchten, was wir dankend annehmen.
Unerwartet schnell kommen dann auch schon unsere Teller, auf denen sich Cordon bleu, Pommes Frites und das klassische Portiönchen Gemüse schön farbig präsentieren. Ein anerkennendes Nicken geht in Richtung des Zitronenschnitzes, welcher von mir zwar wie immer nicht verwendet wird, aber immerhin den Teller mit seiner adretten Verzierung bereichert. Das Cordon bleu macht mit seiner flachen Form und der ansehnlichen Panade inklusive Käsekruste einen eleganten Eindruck. Beim Anschnitt wird mir durch das das leise, knusprige Rascheln noch stärker klar, dass hier etwas Besonderes auf dem Teller liegt. Im Gaumen wird aus stiller Hoffnung dann freudige Gewissheit: Der aromatisch rezente Käse kräuselt schon fast auf der Zunge, während die rauchig-salzigen Geschmacksnoten des Hinterschinkens für eine dunkle Würze sorgen. Die hauchdünne, milde Panade sowie das nussig-zarte Schweinefleisch bleiben im Hintergrund, sind durch ihre Raffinesse aber essenzielle Bestandteile dieser hervorragend austarierten Komposition. Leider ist schlussendlich zu wenig Käse in der Füllung drin, um jeden Bissen auf dieses Niveau zu heben, er ist nur an vereinzelten Stellen in ausreichender Menge vorhanden. Oftmals schmeckt es deshalb eher wie ein ausgezeichnetes Schnitzel mit rauchigem Aroma. Wenn aber alles zusammen auf der Gabel Platz findet, herrscht Jubelstimmung.
Bei den Pommes Frites bin ich zu Beginn etwas skeptisch, sie scheinen mir gar blass. Meine Sorge erweist sich aber als unbegründet, die Kartoffelstifte sind bissfest und hervorragend aber mit weiser Zurückhaltung gewürzt. Das Gemüse gibt sich ebenfalls keine Blösse, es ist ein butterig-salzig-süsser Traum, den ich auf einen Schlag verputzen könnte. Da aber alles auf dem Teller sehr gut ist, springe ich immer wieder zwischen den verschiedenen Portionen hin und her und bin äusserst glücklich dabei. Der Älpler Eisbecher zum Dessert erweist sich ebenfalls als gute Wahl: Das Glacé ist vollmundig und nicht zu süss, während die beigelegten Meringues wie erwartet aussen knusprig und innen klebrig sind. Nur das Ziergebäck ist etwas mürbe und macht nicht den frischesten Eindruck.
Die Abschlussrechnung für unsere Schlemmerei ist im Rahmen, durchaus höher als sonst aber durch die Qualität der Zutaten absolut vertretbar. Satt und glücklich machen wir uns noch einmal zu einem Abschlussspaziergang durch den Chaletwald auf, bevor wir die lange Heimreise antreten. Statt im Belle Epoque dürfen wir jetzt für den Weg nach Zweisimmen im GoldenPass Panoramic Platz nehmen, dessen Panoramafenster uns einen schönen Abschiedsblick auf das idyllische Naturbild bescheren.
Die Kombination aus Chalets und Chic stösst natürlich nicht überall auf Begeisterung aber für dieses schmackhafte Cordon bleu lohnt es sich, die Reise auf sich zu nehmen und mondän angehauchte Bergluft zu schnuppern. Ich werde auf jeden Fall eines Tages zurückkehren und mich dann schweren Herzens zwischen Grillspezialitäten und meinem Lieblingsessen entscheiden müssen.
Bewertung
Schweins Cordon bleu
8/10, «Hervorragend»
Detailbewertung
Kategorie | Punkte |
---|---|
Panade | 8/10 |
Fleisch | 9/10 |
Füllung | 7/10 |
Gesamtgeschmack | 8/10 |
Speisekarte | 5/10 |
Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog
Infos zum Restaurant
https://www.bernerhof-gstaad.ch/de/la-gare
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Unglaublich! Ich habe noch nie ein so dünnes Cordon bleu gesehen geschweige dann serviert bekommen. Normalerweise mag ich meine Fleischstücke prall und gut gefüllt mit flüssigem Käse. Nichts desto trotz muss ich sagen, dass diese Variante schon auch sehr verführerisch aussieht.
Wie immer eine wunderschöne und sehr anschauliche Rezension. Vor allem die Pommes klingen sehr interessant! 🙂