Gasthof Post – Rustiknall

Die hübsch gelbe Fassade des Gasthaus Post in Oensingen

Dieses Restaurant wurde von mir als eines der Cordon bleus des Jahres 2023 ausgezeichnet. Weitere Informationen dazu hier.

Über Facebook wurde mir wärmstens ans Herz gelegt, doch einmal im Gasthof Post in Oensingen vorbeizuschauen. Das Restaurant ist eine lokal bekannte Adresse für sowohl ausgefallene als auch hervorragend zubereitete Cordon bleus im gerollten Stil, den ich seit Beginn des Cordonblogs immer mehr zu schätzen gelernt habe. Da im Ort auch noch die nur alle drei Jahre stattfindende Sonnwendfeier anstand, haben wir das Feuerwerksfest und einen Cordon-bleu-Schmaus gleich miteinander verbunden. Welcher der beiden Events konnte wohl besser zünden?

Im Regionalzug von Olten nach Oensingen wird bereits klar, dass heute etwas Aussergewöhnliches stattfindet. Mit jeder Station füllt sich der Wagen immer mehr, bis wir uns auf dem Perron im Zielbahnhof mit einer noch grösseren Menge vereinen. Die Festmeile für den abendlichen Anlass mit zahlreichen Foodtrucks und anderen Ständen ist während der Einfahrt vom Zugfenster aus deutlich sichtbar. Obwohl ich mich mental bereits auf grossen Zulauf eingestellt habe, überrascht die Dimension des Ganzen dennoch. Aber an dieser Stelle braucht es vielleicht eine kurze Erläuterung zur Sonnwendfeier für alle, die nicht aus Solothurner Landen stammen: Die Feier findet wie bereits erwähnt alle drei Jahre statt und geht auf den altehrwürdigen Brauch der Frühlingsfeuer zurück. Die Verbindung zum Feurigen äussert sich in der heutigen Zeit darin, dass zwei Dorfvereine im freundschaftlichen Pyrotechnikwettstreit gegeneinander antreten. Eine Stunde lang werden abwechselnd Raketen und andere Leuchtknaller in die Luft geschossen, garniert mit über hundert Höhenfeuern. Dies alles resultiert laut den Veranstaltern im grössten Feuerwerk der Schweiz. Mir war diese Tradition völlig unbekannt, dementsprechend neugierig bin ich auf die effektreiche Darbietung. Vorher steht jedoch noch eine Verabredung mit einem Cordon bleu auf dem Terminplan.

Unser Weg führt tiefer ins Dorf hinein, mit fortlaufender Distanz zum Festgelände nehmen angenehmerweise auch die Menschentrauben weiter ab. Aus der Ferne bestaunen wir die Neu-Bechburg, die sich in die braunen Hügel oberhalb des Ortes schmiegt und im Feuerwerksduell etwa die Mittellinie zwischen den Kontrahenten markiert. Nun richtet sich der Blick aber wieder in die Nähe, farbenfroh lacht uns nämlich das Pöstli mit seiner fröhlich-gelben Fassade von der anderen Strassenseite aus an. Vor dem Eintreten werden noch ein paar Witze mit den spalierstehenden Raucherinnen ausgetauscht, dann huschen wir auch bereits hinein in die gute Stube.

Helle Wände und dunkles Holz erwarten uns – der Stil eines klassischen Landgasthofs sorgt für warme Willkommensgefühle. Kupferstiche im Eingangsbereich und das schöne Wandbild der örtlichen Burg in der Gaststube unterstreichen die traditionellen Töne. Pflanzen in von der Decke hängenden Töpfen sorgen für einen Schuss Grün, während die grosse Luftaufnahme von Oensingen an der hinteren Wand den Bogen von vergangenen Zeiten in die Moderne schlägt. Wir nehmen unsere Plätze am reservierten Tisch ein und beginnen mit dem Studium der Speisekarte. Wie erwartet ist das Lokal wegen dem anstehenden Anlass rappelvoll, deshalb gibt es ein reduziertes Angebot. Freundlicherweise durfte ich für diese Rezension aus der üblichen Cordon bleu Auswahl eine Sorte auswählen und vorbestellen. Denn diese Liste hat es in sich: Mehr als 10 verschiedene Varianten (Bis auf zwei sind alle vom Schwein, mit Kalbfleisch scheint keines erhältlich zu sein) buhlen um die Gunst von entscheidungsfreudigen Personen. Klassische Vertreter sind ebenso vertreten wie eigenwillige, zum Beispiel das “BBQ Cordon bleu” (Texas-Style mit Speck, Honig, BBQ-Sauce und Zwiebeln), ein mediterranes “Cordon bleu Rhodos” (Feta, Oliven, Joghurt, Knoblauch und Peperoni) oder ganz spektakulär das “Mexikanische Feuer-Cordon bleu” (Feine Pouletstreifen, geriebene Nachos, Dip-Sauce und mexikanischer Schmelzkäse). Abgesehen von vegetarischen Varianten wird hier wohl so ziemlich alles abgedeckt. Glücklicherweise konnte ich zuhause in aller Ruhe meine Wahl treffen, am meisten lockte das “Cordon bleu Scharfer Pöstler” (Speck, Peperoncini, Zwiebeln und Knoblauch). Eine interessante Kombination, für einmal muss man sich nicht zwischen rustikal oder pikant entscheiden. Aber ob der Pöschtli-Küche der Spagat zwischen den beiden Geschmackspolen auch gelingen wird?

Von meinen Mitessenden entscheidet sich nur noch jemand für ein Cordon bleu (klassisch), der Rest möchte mit anderen Speisen glücklich werden. Überraschenderweise sind es dann nicht Cordon bleus sondern die gute alte Pizza, welche unsere Gespräche während der Warterei dominiert. Mit Anekdoten, Diskussionen über den erstaunlich hohen Preis von Schokoladenbelag sowie der Hawaii-Frage (Bei aller Toleranz ist es für mich immer noch nicht wirklich in Ordnung, so etwas zu bestellen) geht die Zeit bis zum Eintreffen der ersehnten Teller angenehm rasch um.

“Übergrosser Mozzarella-Stick”, “Zigarette” und andere, deutlich weniger jugendfreie Bezeichnungen werden am Tisch rausgehauen, als meine Bestellung vor mir abgestellt wird. Zugegeben, so ein rundes und langes Cordon bleu ist kein alltäglicher Anblick. Vor dem türkisenen Hintergrund macht es aber eine grossartige Figur. In Kombination mit der darüber verteilten, grell-orangen Sauce und den goldenen Pommes Frites tendiert es sogar in Richtung kunterbunt. Ausschlaggebend sind jedoch die inneren Werte, denn das Auge isst zwar bekanntlich mit, aber beim Thema Genuss entscheidet letztendlich der Gaumen. Die anfängliche Sorge über die Geschmacksbalance ist mit dem ersten Bissen vom Tisch, der Küche ist doch tatsächlich die Quadratur des Kreises geglückt. Im Bouquet dieser Rolle vereinen sich die rauchigen Elemente von Speck, die Süsse der weichen Zwiebeln, unregelmässige Einsprengsel von Knoblauch sowie ordentlich pikante Chilinoten. Die sorgfältig austarierte Mischung harmoniert ausgezeichnet und löst das Versprechen einer Verbindung zwischen rustikal und rassig vollumfänglich ein. Bei jedem Happen knuspert die Panade ausserdem derart fröhlich mit, dass ich mir die Frage stelle, ob hier neben dem altbekannten Paniermehl noch Panko (Paniermittel aus Japan) beigemischt wurde. Mit dieser Eigenschaft und der vorbildlich zarten Textur macht sie auf jeden Fall eine helle Freude.

Und die restlichen Komponenten? Lassen auf dem Weg zum Hochgenuss ebenfalls nichts anbrennen. Mein Schweinefleisch ist dünn, zart aber dennoch von hervorragender Saftigkeit, kurzum: Genau so, wie es sein soll. Beim Käse bin ich zum ersten Mal etwas zwiegespalten: Auch wenn er bei jedem Gabelstich beeindruckende Fäden zieht, verschwindet er eher im Hintergrund und ist geschmacklich schwer verortbar. Die restliche Mischung hält die Zunge aromatechnisch jedoch derart auf Trab, dass dies nicht weiter ins Gewicht fällt. Der Abschlusssalut des Tellers gebührt den knusprigen Pommes Frites, die sowohl allein mit salzigen sowie leichten Essignoten als auch in Kombination mit der fruchtig-pikanten, orangen Sauce brillieren. Dass ich mit der Zeit gehörig ins Schwitzen komme, liegt nicht am Schärfegrad der Speisen, sondern ist in erster Linie der Portionengrösse geschuldet. Das dünne, aber ellenlange Cordon bleu füllt auch geübte Mägen ordentlich aus.

Gegen Ende müssen wir bei der Essgeschwindigkeit einen Zahn zulegen, der Fussmarsch zurück zum Festgelände wartet auf uns. Trotz deutlich volleren Bäuchen legen wir zeitlich eine Punktlandung hin und bestaunen letztlich über eine Stunde lang das Spektakel, welches für uns am Nachthimmel abgebrannt wird. Die beiden Vereine haben sich auf je eine Seite der Neu-Bechburg verteilt und schenken einander nichts. Prächtige Feuerwerkssalven malen Muster in allen Formen und Farben in die Luft, abwechslungsweise legt zuerst die eine Partei spektakulär vor, bevor sie von der anderen souverän eingeholt wird. Die Darbietung endet in einem fulminanten Crescendo aus Licht und dröhnendem Knall, anschliessend senken sich die leisen Geräusche der Frühlingsnacht sowie weisse Schwaden aus Pulverdampf auf uns herab.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Scharfer Pöstler»
8/10, «Hervorragend»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https://www.gasthofpost.ch/

Scharf-rustikal, süss-sauer – Welchen Geschmacksspagat durftet ihr bereits in euren Cordon bleus erleben? Schreibt es in die Kommentare oder meldet euch per E-Mail bei info@cordonblog.ch. Ihr möchtet keine neuen Beiträge verpassen? Cordonblog ist auch auf Facebook und Instagram, folgt mir und erhaltet Benachrichtigungen für neue Beiträge, zusätzliche Bilder und gelegentlich einen Blick hinter die Kulissen.

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