Giswil im Kanton Obwalden ist schweizweit bekannt als Wirkstätte von Ruedi Rymann, dem berühmten Jodler und Sänger des «Schacher Seppli». Das hiesige Hotel Bahnhof hat ihm deshalb ein spezielles Cordon bleu gewidmet und da ich mich eher für kulinarisches als musikalisches interessiere, war das Verlockung genug, um vorbeizuschauen.
Wenige Tage vorher wurde noch um die Wette geschwitzt, nun liegt die erste Herbststimmung in der Luft. Eine tiefhängende graue Wolkendecke sowie leichter Nieselregen sind konstante Begleiter auf meiner Reise in die Zentralschweiz. Vor der Einfahrt in Sachseln bietet einem der Blick über den Sarnersee in Richtung Wilen trotz allem ein erhabenes Panorama. In Giswil angekommen, hüpfe ich rasch raus, bevor der Zug den Aufstieg nach Lungern und Hasliberg in Angriff nimmt, und stehe nach wenigen Gehminuten vor dem Restaurant. Es macht mit seiner dunklen Fassade einen etwas düsteren Eindruck, aber das ist vermutlich eher den meteorologischen Umständen geschuldet.
Beim Eintritt bin ich schon gespannt, wo mein reservierter Platz sein wird. Es gibt nämlich nicht nur eine sondern ganze drei Gaststuben: Das Gourmetstübli Landauer (Edel, mit Steinwänden und einem Cheminée) sowie die Dorfbeiz (schlicht, 130-jährige Nussbaumtische) und das Speiserestaurant Reblaube. Mein vorbereiteter Tisch steht im letztgenannten Raum ganz in der Ecke. Die Einrichtung des Saals ist ein Bijou aus vergangenen Zeiten: viele helle Holzelemente, verzierte Fenster, dunkler Teppichboden und schmucke Trennwände aus Glas mit Rebenmotiv. Ob einem das gefällt, ist selbstverständlich Geschmacksache. Ich fühle mich pudelwohl.
In der Speisekarte werde ich rasch fündig, am Schacher-Seppli Cordon bleu führt buchstäblich kein Weg vorbei, weil es die einzige erhältliche Variante ist. Gefüllt wird es mit dem gleichnamigen Käse aus der örtlichen Käserei Schnider (https://schniderkaese.ch/), auf den ich äusserst neugierig bin. Es ist sowohl mit Schweine- als auch mit Kalbsfleisch erhältlich, für meine Bestellung wird Ersteres gewählt. Als Beilage stehen die üblichen Verdächtigen bereit: Pommes Frites aus regionalen Kartoffeln und Saisongemüse. Die restlichen Gerichte auf der Karte sehen (leider) auch vielversprechend aus, auffallend viel wird mit Zutaten aus lokaler Herkunft zubereitet. Die Zeit bis zum Eintreffen meines Cordon bleus verbringe ich damit, die Inneneinrichtung weiter in Augenschein zu nehmen und mit einem Ohr den Gesprächen am grossen Tisch links von mir zu lauschen. Dort sitzen nämlich rüstige Damen und Herren, die sich lautstark über die alten Zeiten und das aktuelle Politgeschehen unterhalten.
Beim Eintreffen des Tellers bleibt mir ein Juiz allerdings im Hals stecken. Der Seppli ist etwas kleiner als erwartet und die Saucentütchen wurden einfach auf die Pommes draufgelegt, ein ästhetisches Unding. Beim Verköstigen des Cordon bleus beweist sich jedoch einmal mehr, dass Grösse allein nicht alles ist. Nach dem ersten Schnitt sprudelt der Käse so unbändig hinaus, als halte er es drinnen nicht mehr aus. Schade eigentlich, denn über die Hülle aus Schweinefleisch, Schinken und Panade muss man sich nicht beklagen, im Gegenteil. Das Fleisch hat dank einem dickeren Schnitt viel Geschmack und bleibt im Tauziehen zwischen zu trocken und richtig zart gerade noch auf der Gewinnerseite. Bei der Panade herrscht trotz äusserst schwachem Knuspergrad Freude, da sie hauchdünn ist und mit einer dezenten Würze aufwartet. Aber der klare Geschmacksprimus ist der Schacher Seppli Käse: Mild würzig und mit einer leicht nussigen Note, die im Gaumen noch lange nachklingt. Da macht es mir auch nichts aus, dass er nach der intensiven Sprudelphase auf der Platte verteilt liegt statt im Cordon bleu drin.
Der Biss ins erste Pommes Frites zaubert mir ebenfalls ein Lächeln auf das Gesicht. Aussen hochgradig knusprig und innendrin der erdige Geschmack von heisser Kartoffel, so muss das sein. Mit dem Salz hätte man aber zurückhaltender sein dürfen. Beim Saisongemüse herrscht in erster Linie Dankbarkeit: Es erlöst mich endlich von einer langen Durststrecke aus durchschnittlichem Bouillongrünzeug und beweist, dass gutes Gemüse eben nicht einfach nur Beilage ist. Optisch abwechslungsreich, knackig und bedeckt von mit einem Kräuterjus sowie ein wenig Rahmsauce kann es mit den anderen schmackhaften Speisen auf dem Teller locker mithalten.
Eigentlich wollte ich dann keinen Nachtisch mehr bestellen aber die hübsche Dessertkarte aus Holz und verziert mit einem Scharnier macht dann doch neugierig. Es gibt die tolle Möglichkeit, sich aus verschiedenen Zutaten einen eigenen Traumcoupe zusammenzustellen aber mein Hunger reicht nur noch für eine kleine Portion Vanilleglace (lokales Buirähof-Glacé!) mit heissen Beeren. Diese kommt wie üblich in einem Glasbecher daher, aber anders als gebräuchlich kann ich die Beerensauce selber giessen. Das Glacé ist angenehm süss und nicht klebrig, zusammen mit den warmen Früchten wärmt das den Magen und die Seele an diesem kühlen Tag.
Ein Besuch in Giswil lohnt sich insbesondere für diejenigen, die wieder einmal einen richtig charaktervollen Käse im Cordon bleu verköstigen möchten oder grossen Wert auf ein altehrwürdiges Ambiente legen. Ich muss mich jetzt entschuldigen, im Online-Shop der Käserei Schnider wartet eine grosse Portion Schacher Seppli Käse auf meine Bestellung!
Bewertung
Schacher-Seppli Cordon bleu
7/10, «Sehr gut»
Detailbewertung
Kategorie | Punkte |
---|---|
Panade | 7/10 |
Fleisch | 8/10 |
Füllung | 7/10 |
Gesamtgeschmack | 7/10 |
Speisekarte | 4/10 |
Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog
Infos zum Restaurant
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Giswil liegt in OBWALDEN!
Das ist natürlich völlig richtig, hier ist mir ein Fehler unterlaufen! Vielen Dank für den Hinweis, ich habe die entsprechende Textstelle angepasst.