Restaurant Rebe – Süsses und Saures

Die Fassade des Restaurant Rebe mit der Anschrift

Es klingt wie der Auftakt zu einer verheissungsvollen Liebesgeschichte: Auf der einen Seite ein Rezensent, dem an einem freien Abend nach langer Durststrecke der Sinn nach Genuss steht. Auf der anderen Seite das Restaurant Rebe in Neftenbach, wo nach eigener Aussage Cordon bleu Experten am Herd werkeln. Warum der Besuch schlussendlich unter dem Motto “Es hat nicht sollen sein” endete, könnt ihr bei der Lektüre der heutigen Rezension in Erfahrung bringen.

Die tragische Erzählung beginnt in einer idyllischen Seitenstrasse. Wenn es Tag wäre, könnte ich die Wahrzeichen der Gemeinde Neftenbach erblicken, das Schloss Wart und die danebenliegenden Weinberge. Stattdessen erfreue ich mich am Anblick einer Weinhandlung, deren Fachwerkfassade selbst im Schein des Mondes und der Strassenlaternen eine gute Figur macht. Ein paar Schritte weiter führt einen der Weg an besetzten Parkplätzen vorbei zur Eingangstür des Restaurants. Auf der rechten Seite erblicke ich den Sitzplatz, wo wohl im Sommer gespeist wird. Das zahlreich vorhandene trockene Geäst lässt erahnen, wie prächtig der Bewuchs in den warmen Jahreszeiten aussehen muss.

Nach dem Eintreten wird man zuerst von einigen elegant ausgestellten Weinflaschen und anschliessend von der Bedienung begrüsst. Mein reservierter Tisch ist mitten im Speisesaal, der Anblick von Cordon bleus auf den Tellern der anderen Gäste weckt in mir ein klein wenig Neid und enormen Hunger. Gut, dass die Karte speditiv vorbeigebracht wird. Ob des grossen Appetits stellt sich die Frage, ob wieder einmal eine Vorspeise auf meiner Bestellliste landen sollte. Verlockendes ist genug im Angebot, sowohl im Bierteig gebackene Zwiebelringe, Knoblauchbrot als auch Nachos würden gerne auf meine Tischplatte wandern. Vor der finalen Entscheidung wandern meine Augen hinab zur Cordon bleu Auswahl. Diese macht in ihrer Varianz einen vielversprechenden Eindruck, zusätzlich zu den bekannten Versionen vom Schwein oder Kalb gibt es hier auch solche vom Poulet oder ganz vegetarisch (wobei deren Füllung in Pfannkuchen oder Tortillas gehüllt wird). Bonuspunkte gibt es für die kreative Benennung: Nationale sowie internationale Musikschaffende leihen den Kreationen ihren Namen. Die Spezialvariante des Winters ist übrigens das klangvolle “Zermatter Fonduestübli Cordon bleu” vom Schwein, gefüllt mit Fonduekäse, Trockenfleisch und nicht auf einem schnöden Teller, sondern stilecht im Zermatter Schlitten angerichtet. Momol man merkt deutlich, dass hier viel Kreativität und Herzblut in die Zusammenstellung der Cordon bleus fliesst. Bis hierhin herrscht noch Liebe auf den ersten Blick, der Spielverderber des Abends wartet aber bereits hinter dem Vorhang auf seinen grossen Auftritt.

Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die Bestellung. Ganz unten auf dem Menu erblicke ich den Vermerk, dass jedes Cordon bleu auch als Jumbo-Variante (ca. 450g) erhältlich ist. Somit ist die Sache entschieden, statt einem diversifizierten Abendmenu gehe ich All-In auf Cordon bleu. Aber welches? “AC/DC” (Schinken, Philadelphia, Jack Daniels, Chili), “Elvis” (Speck, Cheddar, BBQ-Sauce, Zwiebeln”) und “Gabalier” (Käsewurst, Bergkäse, Röstzwiebel) balgen sich in einem zähen Wettstreit. Was wie der Beginn eines schlechten Witzes klingt, ist der Auftakt zu quälenden Minuten der Entscheidungsschwierigkeit. Die Neugier auf die Käsewurst triumphiert schlussendlich und ich vertraue auf den Kärntner Schlagerstar. Als Begleitgesang werden die Kräuterspätzli engagiert, von denen ich mir eine luftig-würzige Beigabe erhoffe. Am kleinen hausgemachten Eistee nippend (milde Süsse, dafür mit angenehm prominenter Schwarzteenote), lasse ich meinen Blick durch das Restaurant schweifen. Die Stimmung ist hell und freundlich, Säulen mit Steinelementen, dünn geschwungene Kronleuchter und altes Holz in Form der Deckenverzierung und Weinkisten stechen ins Auge. Ein Ort, wo man sowohl mit seinem Grossmami hübsch zu Abend essen oder mit den Kollegen ein gemütliches Feierabendbier nehmen kann.

Als nach überraschend kurzer Zeit mein Teller eintrifft, entfährt mir ob des Kolosses darauf ein überraschter Ausruf. Die Käsewurst wird deutlich zur Schau gestellt, die äusserst grosszügig beigelegten Spätzli liegen grösstenteils unter dem Cordon bleu versteckt. Auf der Seite befinden sich ein Klecks Sauce und etwas Gemüse. Bereits beim ersten Schnitt ins Cordon bleu dämmert es mir, dass diese Jumboportion wahrscheinlich eine Fehlentscheidung war. Kein knuspriges Geräusch und verdächtig ohne nennenswerten Widerstand trennt mein Messer ein kleines Stück des grossen Bergs ab. Im Mund wird aus den Bedenken traurige Wirklichkeit: Die Textur der Panade ist so pampig, wie ich es noch nie erlebt habe. Einen nennenswerten Geschmack kann sie auch nicht vorweisen, diese Eigenschaft teilt sie leider mit den anderen Zutaten. Egal ob beim dünnen, aber zu trockenen Schweinefleisch oder dem überraschend charakterlosen Bergkäse, meine verzweifelten Geschmacksnerven scheitern kläglich dabei, irgendwo einen Funken Aroma aufzuspüren. Mit jedem weiteren Bissen wächst das unangenehme Gefühl, etwas von der Konsistenz und dem Charakter von Karton zu verspeisen. Von den Röstzwiebeln bemerke ich übrigens nichts. Die heiss-fettige Käsewurst macht noch die beste Impression, allerdings ist sie auch nicht gerade mit einem abwechslungsreichen Geschmacksprofil gesegnet. Ausserdem hätte es mir persönlich besser gemundet, wenn sie in kleinen Scheiben in der Füllung verteilt worden wäre, statt halbiert hineingeklemmt. Können die Kräuterspätzli das Ruder noch herumreissen? Jein. Sie machen ihre Sache durchaus besser als das Cordon bleu, jedoch fehlt mir auch bei ihnen aromatechnisch der Wumms. Insbesondere der Kräutergeschmack dürfte noch deutlicher zur Geltung kommen.

Der Gipfel der Tragik ist allerdings, dass das Essen auf meinem Teller in so scharfem Kontrast zu den restlichen Qualitäten des Restaurants steht. Das Ambiente und die Cordon bleu Karte habe ich bereits hervorgehoben, auch das Servicepersonal leistet eine hervorragende Arbeit und schafft mit einer durchgehend freundlichen, beschwingten sowie aufmerksamen Art das Kunststück, dass man sich nach wenigen Minuten bereits wie zuhause fühlt. Ausdrücklich loben möchte ich auch die kreativen Events wie z.B. “Ladies/Men’s Night”, an denen Gäste des jeweiligen Geschlechts an bestimmten Wochentagen satte 50% auf ihr bestelltes Cordon bleu erhalten. Bekümmert blicke ich den letzten Rest Cordon bleu auf meinem Teller an, den ich beim besten Willen nicht mehr aufessen kann. Stattdessen nimmt die Bedienung alles mit, um es mir für den Heimweg einzupacken. Nach dem Bezahlen der Rechnung kommt das in Alupapier eingewickelte Restepaket zurück: Es wurde mit Sorgfalt und kundigen Händen zu einem eleganten Schwan gefaltet.

War es die Grösse? Die ausgewählte Sorte? Oder habe ich meinen Geschmackssinn für gute Cordon bleus in der Weihnachtspause verloren? Was auch immer der Grund ist, dieser Besuch hat mir kulinarisch leider keine Freude bereitet. Eine Empfehlung liegt somit nicht drin. Das tut mir einerseits schaurig leid, weil das Team des Restaurant Rebe das Herz unbestritten am rechten Fleck hat. Andererseits läuft mir bei jedem Foto des Schlagerstars Gabalier immer noch ein unangenehmer Erinnerungsschauer an die nach ihm benannte Fleischtasche durch den Magen.

Bewertung

Schweins Cordon bleu «Gabalier»
2/10, «Mangelhaft»

Detailbewertung

Hinweise zum Bewertungsschema: Bewertungsschema – Cordonblog

Infos zum Restaurant

https:\\rebe.ch

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